Die beiden Abgeordneten Jelena Hoffmann (SPD) und Werner Schulz (Grüne) haben Klagen eingebracht, weil sie in der Auflösung des Parlaments eine Verletzung der Verfassung sehen. Sie argumentieren, dass Kanzler Gerhard Schröder sich am 1. Juli das Vertrauen absichtlich entziehen habe lassen, um vorgezogene Wahlen zu erzwingen. Eigentlich könne er wie geplant bis 2006 weiter regieren.
Vergleich mit 1983
Prozessbevollmächtigter der Bundesregierung ist der Berliner Rechtsprofessor Bernhard Schlink, der auch als Autor des gefeierten Romans "Der Vorleser" bekannt ist. Er führte vor den Richtern Schröders Sorge an, die "politische Lage der Instabilität" gefährde die Fortsetzung dessen Reformkurses. Auch das Urteil der Karlsruher Richter aus dem Jahr 1983 kam zur Sprache. Damals hatte Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) ebenfalls Neuwahlen durch eine unechte Vertrauensfrage erzwungen - und die Höchstrichter hatten seine Entscheidung gebilligt. Darauf hatte sich auch sein Nachfolger Schröder bei der Vertrauensabstimmung berufen.
In der Verhandlung am Dienstag zeigte sich, dass auch die Richter in den roten Roben nicht einer Meinung sind. Während Udo Di Fabio meinte, dass man Schröders Einschätzung, er habe keine gesicherte Mehrheit mehr, nur schwer überprüfen könne, äußerte sein Kollege Hans-Joachim Jentsch Skepsis über die Begründung Köhlers für die Auflösung des Bundestages: Mit knapper Mehrheit zu regieren, sei schließlich "das übliche politische Geschäft".
Eines ist für Di Fabio klar: Das für Ende August erwartete Urteil des Gerichts werde eine Grundsatzentscheidung für das politische System Deutschlands bedeuten. Klargestellt werde, ob Deutschland eine "Parlaments- oder Kanzlerdemokratie" sei.
Wie groß der politische Druck auf den Zweiten Senat (sechs Männer, zwei Frauen) ist, zeigt sich an den Zurufen von Politikern. So meint Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD), eine Entscheidung gegen Neuwahlen wäre schon eine Überraschung. Noch deutlicher wurde der Geschäftsführer der Grünen Fraktion, Volker Beck: Ein ablehnendes Urteil "wäre für den Stand der Politik in der Bevölkerung ein Problem".