Die italienische Außenhandelsbilanz ist qualitativ nur mehr ein Schatten ihrer selbst.

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In der italienischen Wirtschaft jagt eine Hiobsbotschaft die andere. Nachdem zu Wochenbeginn die internationale Ratingagentur Standard & Poor's den Ausblick für Italiens Wirtschaft auf "negativ" abgestuft hatte, berichtete das Statistische Amt über eine um drei Prozent zurückgegangene Industrieproduktion. Italien ist und bleibt mit dem heuer geplanten Negativwachstum von 0,2 Prozent der kranke Mann Europas.

"Unsichere politische Lage"

Ausschlaggebend für die negative Prognose von Standard & Poor's sind die Strukturschwäche der Wirtschaft, mangelnde Reformen und die unsichere politische Lage. Aussichten auf eine kurzfristige Verbesserung der gegenwärtigen Lage seien nicht vorhanden. In Anbetracht der im Frühjahr 2006 geplanten Parlamentswahlen werde die Regierung kaum Mut zu den dringend nötigen Ausgabenkürzungen haben.

Im Mittelpunkt der S&P-Kritik stehen die öffentlichen Finanzen. Laut den S&P-Experten soll sich die Neuverschuldung von heuer 4,3 Prozent des BIP auf fünf Prozent im kommenden Jahr anwachsen. Die Regierung rechnet in der mittelfristigen Finanzplanung noch mit einem anteilsmäßigen Etatfehlbetrag von 4,7 Prozent und peilt 2006 ein Ziel von 3,8 Prozent an. Vernichtend ist auch die S&P-Prognose über die Gesamtverschuldung des Staates: Diese soll von derzeit 108 Prozent des BIP bis 2007 auf 110 Prozent zunehmen. Italien distanziert sich zusehend von den EU-Stabilitätskriterien.

Von "Belebungszeichen" keine Spur

Eine weitere Hiobsbotschaft hat zu Wochenbeginn die Wirtschaftstreibenden alarmiert: Italiens Industrieproduktion ist im ersten Halbjahr 2005 um drei Prozent zurückgefallen. Für das dritte Quartal erwarten die Konjunkturforscher weitere drastische Rückgänge. Zwar haben Regierungschef Silvio Berlusconi und Zentralbankgouverneur Antonio Fazio "deutliche Belebungszeichen der Wirtschaft" angekündigt. Davon ist bisher nichts zu bemerken.

Ausschlaggebend für die anhaltende Konjunkturschwäche sind nicht nur der teure Euro und die sinkende Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Industrie. Da sich Italiens Industrieproduktion noch mehr als in anderen Ländern auf die Konsumgüterbranche, wie etwa Textilien, Schuhe oder Möbel konzentriert, leidet die Wirtschaft besonders stark unter dem verschärften Wettbewerbsdruck aus den asiatischen Niedrigpreisländern.

Schlechte Bilanzen

So ist etwa die Schuhproduktion im ersten Halbjahr 2005 um 14 Prozent, die Fahrzeugproduktion um sieben Prozent gesunken. Auch ist die Außenhandelsbilanz qualitativ nur mehr ein Schatten ihrer selbst.

Die üppigen Überschüsse der Neunzigerjahre haben sich 2004 erstmals nach dreizehn Jahren in einen Negativsaldo von 393 Mio. Euro gewandelt. Im Zeitraum 2001 bis 2004 ist der Anteil am Welthandel von 4,6 Prozent auf 3,1 Prozent gesunken. (Thesy Kness-Bastaroli aus Mailand, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10.08.2005)