Washington/Paris/Rom/Berlin - Der gescheiterte Versuch der europäischen Diplomatie, den Iran von seinen Atomambitionen abzubringen, wird am Mittwoch von zahlreichen Blättern kommentiert:

Washington Post

" Jetzt gibt es keinen Platz mehr für Verwirrung und keinen weiteren Grund, dem Iran die Gunst des Zweifels zu geben. Das wirkliche Ziel des iranischen Atomprogramms sind Atomwaffen - nicht Stromerzeugung. (...) Die EU- und US-Spitzen sollen ein Programm ernster ökonomischer, technologischer und militärischer Sanktionen vorbereiten (...) Es ist nicht länger möglich, die iranische Nuklearbedrohung anders als todernst zu betrachten."

Le Figaro

"Der Ton der Antwort der Iraner an die Europäer ist unerträglich und zeigt, wie sehr sich Teheran in einer Position der Stärke glaubt. Die USA sind zu sehr im Irak beschäftigt, um einen Militärschlag ins Auge zu fassen. (...) Es bleibt den westlichen Ländern nichts übrig, als Entschlossenheit und Einigkeit zu wahren. Es ist legitim, ein Land am Besitz der Atombombe zu hindern, das Israel zerstören will und Terrorgruppen finanziert."

Corriere della Sera

"Mahmoud Ahmadinejad hatte es schon im Wahlkampf angekündigt und dann als neuer Präsident wiederholt: 'Die Nuklearenergie ist ein unauslöschliches Recht, das wir haben, wir machen weiter.' (...) Was alle befürchtet haben, ist gestern eingetreten. Acht Monate nach dem 'Waffenstillstand', den die internationale Gemeinschaft gewollt und Ahmadinejads Vorgänger Khatami akzeptiert hatte, fordert Teheran jetzt Europa und die Vereinigten Staaten heraus, aber auch viele andere Länder der Region, angefangen bei Israel."

"ABC" (Madrid):

"Die Weltgemeinschaft muss alle Hebel in Bewegung setzen, damit das Unvorstellbare verhindert wird - nämlich dass an der Grenze der Türkei eine Clique von Ayatollahs mit mittelalterlichen Neigungen eine schreckliche, vernichtende Macht in die Hände bekommt."

Der Tagesspiegel, Berlin

"Das iranische Regime jedenfalls zeigt sich unbeeindruckt. (...) Daher scheint der Gang zum UN-Sicherheitsrat unausweichlich. Dort sollte schon mal an einer Resolution gebastelt werden, die im Kern nur fünf Worte umfasst - Finger weg von der Bombe! Das Signal muss eindeutig sein: Falls Iran die Schwelle zur Nuklearmacht überschreitet, sähe die internationale Gemeinschaft den Weltfrieden bedroht und sich selbst zum Handeln genötigt."

"Berner Zeitung":

"Europa ist mit seiner Kunst am Ende. Mag sein, Teheran blufft - und kehrt wie Nordkorea von allein an den Verhandlungstisch zurück. Wenn sich aber auf die brisante Dynamik der iranischen Atompolitik noch Einfluss nehmen lässt, dann wohl einzig durch beherzte Initiativen aus Washington. Direkte Kontakte, wie sie die Supermacht Pjöngjang neuerdings zugesteht, könnten zu diesem späten Zeitpunkt zwar wie eine Belohnung der iranischen Eskalationsstrategie wirken. Wenn aber der von Europa angeschobene Dialog noch eine Chance haben soll, vor allem aber, wenn der Westen am Ende von sich sagen können will, wirklich alles getan zu haben, um die Konfrontation zu vermeiden, dann muss Amerika über seinen Schatten springen."

"Luxemburger Wort":

"Wohl glaubt Ahmadinejad, dass das internationale Ansehen der USA noch mehr leiden würde, falls es trotz allem zu einer militärischen Konfliktlösung käme. So glauben die Iraner weiter, dass die Zeichen in Europa für eine kriegerische Intervention negativ zu deuten sind. Stimmt! Aber allen Unkenrufen zum Trotz, die Entscheidung Teherans, das Pariser Abkommen, Urananreicherung so lange auszusetzen, bis ein Abkommen mit der EU zu Stande kommt, nicht einzuhalten, kann das Fass zum Überlaufen bringen und die allgemeine Stimmungslage insbesondere bei den 'Falken' zum Kippen bringen."

Handelsblatt, Düsseldorf

"Im Atomstreit macht die EU keine glückliche Figur. Während die Mullahs die Atomanlage in Isfahan hochfahren, das EU-Verhandlungsangebot zurückweisen und auch noch lauthals 'Sieg' schreien, wollen die EU-Außenminister ihre Niederlage vertuschen. Der britische EU-Ratsvorsitz schweigt, selbst dem deutschen Außenminister verschlägt es die Sprache. Die Lage sei ernst, meinte der sonst so wortgewaltige Grünen-Politiker. Das war alles. Seitdem herrscht Sendepause. (...) Die Europäer sollten ihre Strategie noch einmal gründlich überdenken. Sie basierte offenbar auf zwei irrigen Annahmen: dass die Iraner rationale Verhandlungspartner seien und dass sie die von der EU angebotenen Anreize einfach nicht ausschlagen könnten. Doch genau das haben sie getan."

Süddeutsche Zeitung

"Die Iraner glauben, es sich leisten zu können, gerade zum Amtsantritt ihres neuen Präsidenten das Risiko einzugehen, es sich auch mit den Europäern zu verderben. Denn ungeachtet der verdorbenen Beziehungen zu den USA haben ihnen die Amerikaner zwei Feinde vom Hals geschafft: den Iraker Saddam Hussein an ihrer langen Westgrenze und die afghanischen Taliban, ein den Schiiten feindliches Regime des sunnitischen Fundamentalismus. Zum ersten Mal seit einem halben Jahrhundert bekommen die Iraner im neuen Irak einen freundlichen Nachbarn. Es erscheint wie ein Paradox, dass sich diese Kooperation unter US-Protektorat entwickelt - ist es aber nicht. Denn Stabilität im Irak ist ohne den guten Willen der Iraner schwer zu erlangen. Und nach Luftschlägen gegen Atomanlagen in Isfahan oder Natanz oder das Atomkraftwerk Bushehr wäre dieser gute Wille dahin..."

Frankfurter Rundschau

"Das dicke EU-Paket mit schönen Angeboten an den Iran lässt sich vielleicht noch als Verhandlungsmasse zustellen. Mag sein. Formal hat Teheran Recht, friedliche und international überwachte Anreicherung ist gestattet, und die Kontrollkameras laufen. Wäre da nicht das Misstrauen gegenüber den nachgewiesenermaßen täuschungsfähigen Iranern und wäre nicht ausgerechnet Ali Larijani der Mann, mit dem man künftig reden muss. Der will keinen Kompromiss."

Frankfurter Allgemeine Zeitung

"Im (IAEO-)Gouverneursrat zeigte sich eine bekannte Konstellation: Auf der einen Seite waren die Vereinigten Staaten, die eine deutliche Verurteilung Irans wünschten. Auf der anderen standen die Blockfreien, die sich für eine milde Behandlung einsetzten. Schon früher hatten diese sich gegen Versuche gesträubt, einem Entwicklungsland das Recht auf die zivile Nutzung der Kernenergie zu beschneiden."

"La Croix" (Paris):

"Man kann das Schlimmste immer noch vermeiden, solange es noch nicht tatsächlich eingetreten ist. Diese Erkenntnis erklärt den Willen der Europäer, nicht zu schnell die Gespräche abzubrechen. Möglicherweise versucht es Teheran mit einer kleinen Erpressung, um aus den Europäern noch mehr herauszuholen, (...) Nordkorea macht dies auch nicht anders mit den USA. Die Lektion ist eindeutig. Man kann von einem Land, auch wenn es nur begrenzt Atommacht ist, nichts mehr fordern. Teheran weiß dies wohl und sieht darin einen Hebel, das eigene Regime zu festigen."

"L'Alsace" (Straßburg):

"Das Scheitern ist heute offenkundig, und Europa steht geschwächt da. Aber der Iran hat möglicherweise ein Eigentor geschossen: Die Art, wie er die Kompromissangebote vom Tisch gewischt hat, kommt den amerikanischen 'Falken' gerade recht. Dies scheint die Regierung in Teheran freilich kalt zu lassen. (...) Diese Flucht nach vorne, die selbst das Risiko eines Krieges in Kauf nimmt, ist möglicherweise alles, was heute einem Regime bleibt, das zu keinerlei kulturellem und politischem Fortschritt fähig ist".

(APA/dpa)