Nur die Sache mit der Birke, sagt S. mache ihm Sorgen. So wie sie uns –eigentlich dem Errichter unsere Balkones – auch schon Sorgen gemacht hat. Denn darüber, dass der Baum tot ist, herrscht in unserem Innenhof Einigkeit: Vor etlichen Jahren, sagen Menschen die hier schon länger leben, sei der Baum im Eck fast so etwas wie ein Prachtexemplar gewesen: Mit Ästen und Blättern. Ein Schattenspender und Klimaverfeinerer.
Naturerlebnis
Obendrein auch noch ein Stück Natur, dass sich ohne irgendwen zu fragen eines Tages aus einer Ritze im Hofpflaster gezwängt habe und dann einfach da war. Mehr noch: Ableger der Birke, erzählt man sich, hätten sich auch anderswo im Hof keck durch das Pflaster gezwängt – aber dem habe die damalige Hausverwaltung rasch, mit Astschere und Unkrautvertilgungsmittel einen Riegel vorgeschoben. Die erste Birke aber, heißt es, sei damals schon zu groß für derlei Mätzchen gewesen: Sie ist amtsbekannt. Soll heißen: Sie ist im Wiener Baumkataster eingezeichnet.
Das ist gut so. Schließlich schützt das Stadtbäume ganz passabel vor willkürlichen Schlägerungsaktionen. Und sollte irgendein Hirni dennoch seine Kettensäge – genehmigt oder illegal - an Bruder Baum testen, kommt das Amt und verordnet eine Neupflanzung. An einem Ort nach Wahl. Auf Kosten des Holzfällers. Und im ungenehmigten Umholzfall setzt es auch eine Strafe. Das, sind sich eigentlich alle einig, macht Sinn. Im Prinzip.
Holz vor der Hütte
Bei dem Baumstamm in unserem Hof ist die Sache aber ein bisserl anders. Denn wer den Baum vor geraumer Zeit ableben lassen hat, lässt sich heute nicht mehr sagen. In jedem Fall ist er tot. Und als diverse Baufirmen ein paar Wohnungen um den einst schmuddligen Hof restaurierten, begann der Baum auch nicht wieder zu leben – im Gegenteil (falls das überhaupt geht): Das Gewächs wurde sukzessive seiner Äste beraubt. Weil die im Weg waren. Und als die Bauarbeiter ab- und die neuen Bewohner (also wir) einzogen, stand da totes Holz vor der Hütte. Das aber – von Amts wegen – angeblich immer noch ein Baum ist.
Dann – wir wohnten schon hier – wurde die obere Balkonetage errichtet: Zuerst kam das Metallgerüst, dann kam ein Arbeiter mit der Kettensäge. Er schnitt Eineinhalbmeterteile vom toten Stumpf. Bis sein Chef ihn sah – und ihn anbrüllte, er solle sofort aufhören. Ob er denn den Verstand verloren habe? Der gute Mann packte die Säge weg. Statt vor meinem endet der Baumstumpf jetzt eben vor S.s Küchen- und Klofenster.
Weiterschnippeln
Vorgestern bekam nun auch S. sein Balkongerüst. Und in ein paar Tagen wird dann einer die Bretter verlegen. Vorher wird er wohl wieder eineinhalb oder drei oder viereinhalb Meter Holz wegsägen. Aber bestimmt nicht alles. Denn, das hat uns mittlerweile der Polier erklärt, das Baumschutzgesetz sagt angeblich, dass derjenige, der einen Baum umlegt, auch für seinen Tod und ergo die Nachpflanzung – verantwortlich ist. Mit derlei Fällen habe er leidvolle Erfahrung. Das könne mitunter teuer werden. Erst recht, wo unsere Birke amtlich ja in voller Pracht zum Grünanteil Wiens beiträgt.