Der zu neun Jahren Haft verurteilte Ex-Chef des russischen Ölkonzerns Yukos, Michail Chodorkowski, kommt in den letzten Tagen wieder vermehrt medial ins Gespräch. Den Auftakt dazu hat der einst reichste Russe selbst vor einer Woche geliefert, als er in seinem bereits dritten "Gefängnisbrief" seine sozialdemokratische Ader enthüllte und dem Land einen politischen Linksruck empfahl bzw. prophezeite.

Am Dienstag folgte die Mitteilung, dass der seit Oktober 2003 inhaftierte Oligarch innerhalb des Gefängnisses "Matrosenruhe" umquartiert wurde, sodass sich seine Haftbedingungen verschlechterten.

In seiner bisherigen Vier-Mann-Zelle konnte er Zeitungen lesen, fernsehen und einen Kühlschrank benützen. Ab sofort teilt er mit zehn weiteren Häftlingen eine Zelle und muss auf die bisherigen "Privilegien" verzichten.

Über den von offiziellen Stellen nicht kommentieren Hintergrund der Maßnahme kursieren zwei Erklärungen. Die eine geht dahin, dass man Chodorkowski nun von seiner prominenten Stellung in einen gewöhnlichen Gefangenen verwandeln und vor allem von der Öffentlichkeit isolieren will.

Wie Alexej Melnikov von der oppositionellen Jabloko-Partei vermutet, seien die "Regisseure des Gerichtsspektakels" ungehalten darüber, dass es ihnen bisher nicht gelungen war, Chodorkowski zu brechen und ihn zu einer unbedeutenden gesellschaftlichen Figur zu machen. Von mehreren Seiten wird der Hintergrund aber im publizierten "Gefängnisbrief" gesehen.

Eine Warnung

Man wolle Chodorkowski vor weiteren öffentlichen Statements warnen, meint der Politologe Stanislav Belkovski; dahinter stünde Putins Vizeadministrationsleiter Igor Setschin, der als Kopf der Geheimdienstaufsteiger und als Mastermind der Causa Yukos gilt. Chodorkowskis Anwälte verbinden die Maßnahme aber auch mit einer anderen Absicht, nämlich die Vorbereitung zu seiner Verteidigung vor dem Moskauer Stadtgericht und weiteren Instanzen zusätzlich zu erschweren.

Ohnehin würde ihnen das Gericht das Studium des ganzen Sitzungsprotokolls nicht gewähren. Nach der Urteilsverkündung am 31. Mai hatten die Anwälte eine so genannte kurze Berufung eingelegt, die nach dem Studium des Protokolls ergänzt werden sollte

Laut eigener Darstellung würden ihnen nur einzelne Bände des Protokolls zur Verfügung gestellt, dann wieder nur unbeglaubigte Kopien und überdies keine Beweisdokumente. Gerichtsvertreter wiederum beschuldigen die Anwälte, das Studium des Protokolls - da Anmerkungen zu dessen Abänderung bis 25. August eingereicht werden können - hinauszuzögern.

Kandidatur

Unterdessen berichtete das Wirtschaftsblatt Vedomosti am Mittwoch darüber, dass Chodorkowski eine Kandidatur bei der aufgrund einer Vakanz in einem Moskauer Wahlkreis hervorgerufenen Nachwahl zur Staatsduma erwägt.

Derzeit tobt ein Streit unter den Juristen, ob eine solche Kandidatur bei der Wahlbehörde durchginge, rechtlich nämlich darf ein Inhaftierter teilnehmen, solange das Urteil (so wie bei Chodorkowski) noch nicht rechtskräftig ist - dies wird frühestens am 8. September entschieden. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11.08.2005)