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Edmund Stoiber hält die bayrische Lebensweise hoch und will nicht akzeptieren, dass die Ostdeutschen Kanzlermacher sind.

Foto: APA/dpa/Stephan Jansen
In der Vorwoche hatte der Wahlkampf Stoiber nach Baden-Württemberg geführt. Dort, bei einer Kundgebung, sprach er über den Osten, den großen Zuspruch für die neue Linkspartei und die Chancen der CDU/CSU auf einen Regierungswechsel. Und er sagte: "Ich akzeptiere nicht, dass erneut der Osten bestimmt, wer in Deutschland Kanzler wird. Es darf nicht sein, dass die Frustrierten über das Schicksal Deutschlands bestimmen."

Zunächst drangen diese Worte nicht über die Landesgrenzen von Baden-Württemberg hinaus. Doch dann berichtete die Leipziger Volkszeitung darüber und schon wusste der ganze Osten Bescheid. Als erste Empörung laut wurde, versuchte CSU-Generalsekretär Markus Söder noch rasch Stoibers Sager zu relativieren. Selbstverständlich habe sein Chef mit "die Frustrierten" Oskar Lafontaine und Gregor Gysi gemeint.

Doch so sehr hätte sich Söder gar nicht bemühen müssen. Der Ministerpräsident selbst legte am Mittwochabend nach und seufzte bei einem Wahlkampfauftritt, als er über die "Defizite in Sachsen und Sachsen-Anhalt" sprach: "Wir haben leider nicht überall so kluge Bevölkerungsteile wie in Bayern."

Trauerarbeit und Frust

Am Donnerstag drängte es dann unzählige Politiker aller Couleur an die Mikrofone, um ihre Abscheu kundzutun. Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) – selbst ein Ostdeutscher – verbat sich "den Versuch Stoibers, die Ostdeutschen zu Wählern zweiter Klasse zu machen". Grün-Außenminister Joschka Fischer verlangte wie Thüringens SPD-Partei- und Fraktionschef Christoph Matschie eine Entschuldigung. Auch aus der Union kam eine scharfe Zurechtweisung für Stoiber.

Michael Stübgen, Vorsitzender der brandenburgischen CDU-Landesgruppe im Bundestag, warf Stoiber vor, mit solchen Aussagen Wahlhelfer für die Linkspartei zu sein und meinte, der CSU- Chef spreche "vor allem über die eigene Frustration". Er solle seine Trauerarbeit darüber, dass nun CDU-Chefin Angela Merkel Kanzlerkandidatin sei und nicht er, "im stillen Kämmerlein machen und nicht in bayerischen Bierzelten". FPD- Generalsekretärin Cornelia Pieper erklärt, Stoiber habe sich als Minister in einem etwaigen schwarz-gelben Kabinett disqualifiziert.

Stoibers Frust über den Ausgang der Wahl 2002 lässt sich in Zahlen dokumentieren: Während die Union bundesweit nur 8864 Stimmen hinter der SPD blieb, wurde sie im Osten abgehängt. Die SPD kam mit 39,7 Prozent auf ihr bestes Ost^ergebnis seit der Einheit, wozu das engagierte Auftreten von Kanzler Gerhard Schröder in den vom "Jahrhunderthochwasser" heimgesuchten Gebieten beigetragen hat. Die Union erreichte in den neuen Ländern nur 28,3 Prozent.

Der Göttinger Politologe Peter Lösche meint: "Das kostet die Union Stimmen. Es spricht das latente Gefühl an (...): ,Wir Ossis sind Bürger zweiter Klasse.‘" Durchaus Strategie sieht der Chemnitzer Politikwissenschafter Eckhart Jesse in Stoibers Aussage. "Das ist seine Reaktion auf die sinkenden Umfragewerte. Zwar riskiert Stoiber damit, im Osten 0,5 Prozent Stimmen weniger zu bekommen. Aber im Westen gewinnt er damit zwei Prozent dazu", sagte Jesse dem Standard. 20 Prozent der Wahlberechtigten leben im Osten.

In Bayern werden Stoibers Zitate unterdessen womöglich noch zum Schlager. Der Radiosender "Antenne Bayern" machte daraus einen "Stoiber- Landler-Rap". (DER STANDARD, Printausgabe, 12.8.2005)