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Wien - Die SPÖ hat Donnerstag Vormittag zum Auftakt der von ihr angeregten Sondersitzung des Nationalrats einen Dringlichen Antrag zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit eingebracht. Klubchef Alfred Gusenbauer und Kollegen fordern unter anderem eine Reparatur der Steuerreform vor allem zu Gunsten von Beziehern kleinerer Einkommen, eine Infrastrukturoffensive sowie eine volle Nutzung der EU-Übergangsfristen am Arbeitsmarkt. Debattiert wird der Antrag seit 14 Uhr.

Gusenbauer kritisiert "Gipfelhüpfen"

SP-Chef Alfred Gusenbauer hielt der Regierung in seiner Eröffnungsrede vor, mit der permanenten Senkung von Unternehmenssteuern nur zur mehr Arbeitslosigkeit geführt zu haben. Der SP-Vorsitzende argumentierte, dass die Gewinne heute höher als je zuvor seien, dafür weniger denn je besteuert würden. Trotzdem habe Österreich die höchste Arbeitslosigkeit in der Zweiten Republik: "Noch nie in der Geschichte unsereres Landes waren so viele Menschen von Arbeitslosigkeit betroffen wie heute." Daran habe auch das "Gipfelhüpfen" der Regierung nichts geändert, ätzte Gusenbauer über die diversen Arbeitsmarkt-Konferenzen der Koalition.

Dabei gebe es heute kaum mehr eine größere Familie in Österreich, in der niemand von Arbeitslosigkeit betroffen sei. Und diese Menschen bräuchten statt Beruhigungspillen nun wirksame Therapien. Darunter versteht Gusenbauer unter anderem engagierte Maßnahmen im Infrastrukturbereich und zusätzliche Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik. In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit sei es auch angebracht, die Zahl der Saisonniers zu reduzieren und bei der Erweiterung der EU die Übergangsregelungen am Arbeitsmarkt voll auszunutzen.

"Zeit für Kurswechsel gekommen"

Für Unternehmen, die in Österreich investieren und Arbeitsplätze schaffen, müsse ein Investitionsfreibetrag geschaffen werden, forderte Gusenbauer. Und zur Entlastung der niedrigen Einkommen tritt er für eine Verdoppelung der Negativsteuer ein. Alles in allem ortet der SP-Chef die Zeit für einen Kurswechsel gekommen. Denn die "Hauptausrede" der Regierung, es handle sich bei der hohen Arbeitslosigkeit um ein internationales Phänomen, stimme nur zum Teil.

Schüssel verteidigt Regierungspolitik

Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) hat die Wirtschaftspolitik der Regierung verteidigt und gleichzeitig zu mehr Optimismus aufgerufen. Wer ständig den Eindruck erwecke, Österreich und die EU seien ein Jammertal, trage nicht dazu bei, dass Unternehmen Lust bekämen, hier zu investieren.

Der Kanzler wollte die internationale Lage als Argument nicht unverwähnt lassen. Ein kleines, mittleres Land wie Österreich könne die internationale Konjunktur nicht wirklich beeinflussen. Die Eurozone sei zu wenig gewachsen, beim Ölpreis gebe es ein Rekordhoch und die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank werde in Frankfurt und nicht in Wien gemacht. So könne Östereich zwar Impulse setzen aber nicht alleine etwas durchsetzen.

"Wir erfüllen das, was Sie wollen"

Trotz dieser ungünstigen Rahmenbedingungen habe die Regierung aber einiges getan. Heuer liege man im Vergleich zum Vorjahr bei 31.500 Arbeitsplätzen mehr. Bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik habe man die Mittel vor allem für Frauen und Jüngere deutlich erhöht: "Wir erfüllen das, was Sie wollen", teilte der Kanzler dem sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten mit. Zusätzlich seien die Ausgaben für die Forschung seit 1999 verdoppelt worden und würden jetzt noch einmal erhöht. Auch das werde mithelfen, dass man sich bei den Arbeitsplätzen in diesem Bereich verbessern werde können.

Aktuell verwies Schüssel einmal mehr auf die Ergebnisse des Bund/Ländergipfels vom vergangenen Montag. In 18 Monaten würden die Möglichkeiten zur regionalen Förderung verdreifacht, den investierenden Unternehmen könne fast eine halbe Milliarde Cash zugeführt werden. Zusätzlich solle jedem Jugendlichen die Möglichkeit geboten werden, in einem Beschäftigungsprogramm unterzukommen. Insgesamt sollten mit dem Paket drei Milliarden Euro an Investitionen stimuliert werden: "Wenn das gelingt, ist das nicht nichts."

Überhaupt ließ der Kanzler die Kritik an den Gipfeln als reine Inszenierungen nicht gelten: "Sollen wir nicht mit den Bundesländern und den Sozialpartnern reden?", lautete die rhetorische Frage an die SPÖ. Auch gab sich Schüssel enttäuscht über die inhaltlichen Ausführungen des SP-Vorsitzenden: "Wo ist die konkrete Hoffnung, dass einer schneller einen Arbeitsplatz findet, dass der Wirtschaftsstandort sicherer und stabiler wird?". Er habe nichts gehört und nichts gesehen, was hier eine Sondersitzung des Nationalrats rechtfertige.

Gorbach: "Zu Tode gejammert ist auch gestorben"

Auch Vizekanzler Hubert Gorbach (BZÖ) forderte dann die Opposition dazu auf, nicht nur Pessimismus zu verbreiten: "Zu Tode gejammert, ist auch gestorben. Wir sollten aufhören zu raunzen." Die Regierung setze schon die richtigen Maßnahmen, um den Standort zu verbessern.

Empört von Gorbach zurückgewiesen wurde Oppositionskritik, wonach beim Bund/Ländergipfel vergangenen Montag nur ein "Päckchen" geschnürt worden sei: "Das ist ein ordentliches Paket", tönte der Vizekanzler und sprach sogar von einem sommerlichen Höhepunkt. Überhaupt zeige alles in die richtige Richtung. Bei der Forschung werde so viel ausgegeben wie nie zuvor und bei der Ausbildung sei man sowohl beim Mittel- als auch beim Ideeneinsatz besser denn je.

Schließlich kämen noch bei der Infrastruktur sechs Milliarden Euro in den nächsten beiden Jahren hinzu: "Das ist eine absolute Rekordmarke." Solche Erfolge zu bagatellisieren, halte er nicht für den richtigen Weg, mit Arbeitslosigkeit umzugehen, tadelte Gorbach. Denn Österreich sei es gelungen, rechtzeitig die richtigen wirtschafts- und steuerpolitischen Maßnahmen zu setzen, um die internationale Flaute zu durchtauchen.

Van der Bellen fordert höheres Wirtschaftswachstum

Van der Bellen betonte, dass es ihm fern liege, das "Jammertal Österreichs" zu beschreiben, aber man müsse Problemfelder erkennen. "Österreich braucht ein höheres Wirtschaftswachstum. Das sage ich auch ausdrücklich als Grüner." Mit einem Wirtschaftswachstum von derzeit zwei Prozent würde man der Arbeitslosigkeit nicht Herr. Es sei einfach notwendig, mehr Geld in die Hand zu nehmen. Dies sie allerdings mit dem "Päckchen vom Montag" nicht passiert: "Das ist nicht nur dramatisch, sondern tatsächlich auch deprimierend."

Van der Bellen zitierte aus dem Juni-Heft des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO), wo Strategien zur Erhöhung des Wirtschaftswachstums vorgestellt und sieben Problemfelder genannt werden: Innovation und Forschung, Ausbildung, Weiterbildung, Infrastruktur, Arbeitsmarktförderung, Betriebsgründungen, Umwelttechnologien. "Ich sage ja nicht, dass nichts passiert ist. Reden wir nicht über die Vergangenheit, reden wir über die Zukunft. Das sind ganz wesentliche Empfehlungen des Wifo", sieht der Grüne Bundessprecher ein Zukunftsprogramm für die Regierung.

ÖGB-Präsident Verzetnitsch: Ganz Graz ist arbeitslos

ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch (SPÖ) sorgt sich um die nachhinkende Kaufkraft und sieht in einer Erhöhung der Negativsteuer auf 220 Euro die Lösung. Polemik gab es in der Sondersitzung des Nationalrates am Donnerstag in Richtung SP-Chef Alfred Gusenbauer: BZÖ-Sozialsprecher Herbert Haupt empfahl ihm, von der Rede Verzetnitschs zu lernen, ÖAAB-Chef Fritz Neugebauer (ÖVP) riet ihm zur Weiterbildung in Wirtschaftsgeschichte.

Verzetnitsch nahm ein bildhaftes Beispiel für die derzeitige Arbeitslosenstatistik zur Hand: "Ganz Graz ist ohne Beschäftigung." Die durchschnittliche Höhe des Arbeitslosengeldes von 750 Euro pro Monat (bei Männer) zeige deutlich, was es heißt arbeitslos zu sein, wenn man bedenke, dass 1.400 Euro pro Monat zum Leben notwendig seien.

Problematisch ist für den Gewerkschaftsboss vor allem, dass die Kaufkraft nachhinke. Man müsse sich die Frage stellen, wie Maßnahmen der Regierung wirken, ob die Steuerpolitik richtig sei. Deshalb forderte er erneut eine Erhöhung der Negativsteuer von derzeit 110 Euro auf 220 Euro. Das würde die Nachfrage fördern sowie den Inlandskonsum und das helfe auch der Wirtschaft. Der Gewerkschaftschef zeigte sich gesprächsbereit - und zwar nicht bei einem neuerlichen Gipfel, sondern gleich im Plenarsaal: "Reden, reden wir. Wir können uns da hinten zusammensetzen und einen Antrag machen. Dafür brauchen wir keinen Gipfel."

Neugebauer: Wichtiger notwendiger Schritt

Neugebauer (ÖVP) verteidigte das beschlossene Paket der Regierung als einen "wichtigen, notwendigen Schritt". Im internationalen Vergleich stehe Österreich mit 3,3 Millionen Beschäftigten "noch immer gut da". Besondere Sorge bereitet den Christgewerkschafter, dass zwei Drittel der Arbeitslosen nicht qualifiziert für den Bedarf des Arbeitsmarktes seien. Gusenbauer richtete er aus: Die Arbeitsmarktsituation in Österreich als katastrophal zu bezeichnen, sei "reiner Unsinn". "Ich darf Ihnen empfehlen, Wirtschaftsgeschichte in der Erwachsenenbildung auch für Sie ernst zunehmen."

Auch Haupt bemerkte zu Beginn seiner Rede, dass ÖGB-Chef Verzetnitschs Rede zu Recht mehr Applaus bekommen habe als Gusenbauer. Der SPÖ-Chef solle von Verzetitsch lernen, da Gusenbauer die Situation lediglich schwarz-weiß darstelle. Dass die Abgeordneten zur Sondersitzung zusammentreten müssten, liege nicht an der Situation in Österreich, sondern am Terminkalender von Gusenbauer, polemisierte Haupt.

Nun seien die AMS-Qualifizierungskurse sinnvoller als unter sozialdemokratischen Regierungen: Damals hätten die Arbeitslosen zum vierten Mal einen "Selbstfindungskurs", und wie man einen Weihnachtstisch decke, besuchen müssen. Dem Kombilohnmodell kann Haupt einiges abgewinnen: "Kombilohn mit Hirn und Herz kann durchaus auch Beschäftigung und Arbeit in Österreich bringen."

Acht Abgeordnete fehlen

Trotz der sehr kurzfristig einberufenen Sondersitzung sind die Reihen im Hohen Haus heute übrigens gut gefüllt. Lediglich acht der 183 Abgeordneten ließen sich für das außerordentliche Plenum entschuldigen. (APA)