Maria Rauch-Kallat: "Es ist in der Legislaturperiode nicht zu erwarten, dass Versicherungsbeiträge steigen. Entschlüsse der Sozialversicherungen kann ich nicht bestimmen."

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Gesundheitsministerin Maria Rauch- Kallat will die umstrittenen Naturalrabatte begrenzen. Einladungen sollen nur im üblichen Rahmen möglich, die Karibikreise verboten sein, sagt sie im STANDARD- Interview . Abseits von Bagatellen soll Geschenkannahme verboten sein, strafrechtlich verfolgt wird allerdings erst ab der Grenze von 7500 Euro. Gegen eine niedrigere Grenze habe sich das Justizministerium gewehrt. Die Ministerin versteht, dass die Debatte das "Vertrauen der Bevölkerung in manche Ärztinnen und Ärzte erschüttert hat".

Vorwürfe von Spitzenärzten, dass Patienten nicht die besten Medikamente bekommen, wiest Rauch-Kallat zurück: "Jeder bekommt, was er braucht. Vieles ist heute selbstverständlich, was vor 20 Jahren unmöglich war. Der Oberschenkelhalsbruch bei Über-80-Jährigen war früher das Todesurteil. Heute wird in 14 Tagen entlassen - nicht nur, wenn man Kardinal König heißt."

STANDARD: Finden Sie es normal, dass Ärzte Gratismedikamente den Kassen verrechnen?

Rauch-Kallat: Es ist auch in anderen Branchen üblich, Naturalrabatte zu gewähren. Aber ich bin für einen Verhaltenskodex für Geschenkannahme. Ärztinnen und Ärzte sollen Einladungen von Pharmafirmen nur im üblichen Rahmen annehmen dürfen. Sprich: Bei einem wissenschaftlichen Symposium ist es legitim, dass ein Essen serviert wird. Aber die Karibikreise ist nicht legitim. Ich kann mir vorstellen, dass die Debatte das Vertrauen der Bevölkerung in manche Ärzte erschüttert.

STANADARD: Geschenkannahme ist erst ab 7500 Euro strafbar. Das lädt zu Missbrauch ein.

Rauch-Kallat: Nein. Geschenkannahme ist verboten, wenn sie nicht Bagatelle ist - etwa das zitierte Essen. Bis 7500 Euro ist es ein Verwaltungsdelikt, darüber wird strafrechtlich geahndet. Es ist üblich, dass Delikte unter einer gewissen Schadenshöhe nicht strafrechtlich verfolgt werden. Das Justizministerium ist sogar für höhere Grenzen.

STANDARD: Zeigen diese Rabatte, dass es Spielraum gibt, Medikamente billiger zu machen?

Rauch-Kallat: Wir haben den Spielraum ja genutzt. Die Pharmafirmen mussten 23 Millionen Euro Sonderrabatt an den Hauptverband abliefern. Ob noch mehr Spielraum da ist, wird sich zeigen. Man muss die Kosten respektieren, die für Forschung anfallen.

STANDARD: Ärzte klagen, dass Patienten nicht die besten Medikamente bekommen.

Rauch-Kallat: Das stimmt ja nicht. Jeder bekommt, was er braucht. Wenn etwa einem Patient mit einem Medikament die Operation erspart werden kann, kommt die Behandlung somit sogar günstiger. Die Auseinandersetzung, welches Medikament verschrieben wird, läuft nicht zwischen Ministerin und Arzt, sondern zwischen Arzt und Sozialversicherung. Vieles ist heute selbstverständlich, was vor 20 Jahren unmöglich war. Der Oberschenkelhalsbruch bei Über-80-Jährigen war früher das "Todesurteil": Der Patient musste im Bett bleiben, bekam eine Lungenentzündung, starb. Heute wird genagelt, mobilisiert, in 14 Tagen entlassen - und nicht nur, wenn man Kardinal König heißt.

STANDARD: Aber Ärzte müssen bei Medikamenten sparen.

Rauch-Kallat: Alle fordern seit Jahren, den Generika-Anteil zu erhöhen. Jetzt liegt er bei 30 Prozent. Viele glauben, Generika seien minderwertig. Dabei ist nur ihr Patent abgelaufen, daher sind sie billiger.

STANDARD: Das nächste Problem in Ihrem Ressort ist die teure E-Card. Wer ist Schuld an dem Schlamassel?

Rauch-Kallat: Erstmals wird es die Gesundheitskarte geben. Das ist fünf oder sechs meiner Vorgänger nicht gelungen. Wir haben es geschafft, die E-Card auf die Beine zu stellen - nicht ohne Konflikte, das gebe ich schon zu. Ich habe mit dem Hauptverband etliche Sträuße ausgefochten.

STANDARD: Kommen Mehrkosten für Patienten?

Rauch-Kallat: Es ist in der Legislaturperiode nicht zu erwarten, dass Versicherungsbeiträge steigen. Entschlüsse der Sozialversicherungen kann ich nicht bestimmen.

STANDARD: Viele Vorgänger beklagten Ärzteüberschuss. Nun drängen Deutsche an die Uni. Fürchten Sie Ärztemangel?

Rauch-Kallat: Ich habe mich schon amüsiert, dass die Ärztekammer, die immer die Ärzteschwemme beklagt hat, nun vor Ärztemangel warnt. Aber ich bin unbesorgt. Es gibt nach wie vor genügend Studienplätze für Österreicher, die Ärzte werden wollen. Heuer war große Aufregung, weil es das erste Mal war. Aber es ist kein Drama. Was fehlt, sind Turnusplätze. Deutsche haben aber keinen Anspruch auf Turnus in Österreich.

STANDARD: Täuscht der Eindruck, dass viel mehr Ihrer Energie ins Gesundheitsressort geht als in das Frauenressort?

Rauch-Kallat: In meinem Ministerium arbeiten 400 Beamte im Gesundheits- und 40 im Frauenbereich. Natürlich gibt es da im Gesundheitsbereich mehr Anträge und Berichte.

STANDARD: Geben Sie mir ein konkretes Beispiel für eine frauenpolitische Maßnahme?

Rauch-Kallat: Die Aktionen Frauen in die Technik. Wir arbeiten an Karriereplanung, denn Frauen neigen stärker als Männer dazu, Karriereplanung dem Zufall zu überlassen. Daher sprechen wir Frauen ganz bewusst an, etwa beim Ausstieg in die Kinderpause den Wiedereinstieg zu planen.

STANDARD: Das BZÖ will die Zuverdienstgrenze beim Kindergeld abschaffen. Sie auch?

Rauch-Kallat: Ich wäre vorsichtig mit der Aufhebung: Dann muss ich damit rechnen, dass vor allem Väter zwar Kindergeld beziehen, aber voll arbeiten. Daher ist mir vorrangiger, Kinderbetreuung steuerlich absetzbar zu machen. Aber das ist ein Ziel für die nächste Legislaturperiode.

STANDARD: Werden Sie denn dann noch Politikerin sein? Sie wollten ja 2006 Psychotherapeutin werden.

Rauch-Kallat: Wenn die ÖVP das Vertrauen bekommt und der Kanzler mich will, freue ich mich, wenn ich wieder Ministerin werde. Ich bin aber derzeit zuständig für Psychotherapie und leiste mir den Luxus, bei Tagungen zuzuhören - als Fortbildung.

STANDARD: Wie beurteilt denn eine angehende Psychotherapeutin die Stimmung und die Muster in der Koalition?

Rauch-Kallat: Sehr interessant. Aber ich bin nur Hobbytherapeutin, ich kann das nicht weiter ausführen.

STANDARD: Und als Politikerin?

Rauch-Kallat: Die Koalition hat wirklich viel zustande gebracht und Probleme nicht auf die lange Bank geschoben. Aber wir sind zwei verschiedene Parteien, keine Frage.

STANDARD: Wäre für Sie Blau oder Orange nach der Wahl 2006 ein Koalitionspartner?

Rauch-Kallat: Da sagt die Alt- Generalsekretärin: Zuerst wählen, dann spekulieren.

STANDARD: Daran halten sich nicht alle in Ihrer Partei. Etliche stellen die Regierungsfähigkeit der SPÖ infrage. Ist die SPÖ kein Partner?

Rauch-Kallat: Wir schließen nichts aus. Was aber bedenklich war, war der Zickzackkurs der SPÖ. Ich spreche der SPÖ nicht die Regierungsfähigkeit ab, aber wenn man sich den Zickzackkurs in der Europa- oder Bildungspolitik anschaut, ist das nicht sehr vertrauenserweckend.

STANDARD: Im Vergleich mit Jörg Haider ist Alfred Gusenbauer ein Hort der Stabilität.

Rauch-Kallat: Aber die Partei lässt Gusenbauer nicht wirklich. Haider als Person ändert sehr oft seine Meinung, keine Frage, aber da ist eher die Partei der beharrende Faktor.

STANDARD: Sind für Sie die Grünen der Wunschpartner?

Rauch-Kallat: Ich konnte es mir mit den Grünen schon 2002 vorstellen - wissend, dass es um nichts leichter gewesen wäre als mit der FPÖ. Auch wenn meine Sympathien bei Grün waren. Aber die Entscheidung hat vorerst der Wähler 2006.

STANDARD: Wird es einen Schmutzwahlkampf à la Anleitung der steirischen VP geben?

Rauch-Kallat: Man fährt immer man besten, wenn man versucht, die eigene Stärke an die Wähler heranzutragen. In meiner Zeit als Generalsekretärin gab es keine Anleitungen zum Schmutzwahlkampf.

STANDARD: Und die Haschtrafik aus Ihrem Wahlkampf 2002?

Rauch-Kallat: Es war eine Verkürzung, wenn Sie so wollen. (DER STANDARD, Printausgabe, 12.8.2005)