Comicshafte Pflaster für einen wütenden Rächer: Marv (Mickey Rourke) jagt in Robert Rodriguez' "Sin City" den Mörder einer Prostituierten.

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Eine düstere Fabel um leidende Superhelden, die starke Anleihen am Film noir nimmt und auf perfekte Weise den Comics-Stil der Vorlage aufs Laufbild überträgt.


Wien - Die Stadt der Sünde heißt eigentlich "Basin City". Sie liegt auf dem Grund einer Talsenke, in der sich das ansammelt, was nicht auf die Tagseite der Zivilisation gehört. Niedere Instinkte, sexuelle Perversion, korrupte Macht machen aus "Basin City" die Sin City des Comics-Autors Frank Miller. Hier lässt der Mann, der schon die "Batman"-Erzählungen wiederbelebt hat, seinen dunklen Obsessionen freien Lauf.

In Sin City findet nun der Film noir seinen abgelegensten Außenposten. Miller hat lange gezögert, bis er einer Verfilmung durch Robert Rodriguez (From Dusk 'Til Dawn) zugestimmt hat. Schließlich hat er selbst die Koregie übernommen und dafür Sorge getragen, dass seine Vision weder durch Ironie noch durch Moral entschärft wird.

Drei Männer stehen im Mittelpunkt von drei Erzählsträngen, die immer tiefer in die schlechtere Gesellschaft von Sin City führen. Der Polizist Hartigan (Bruce Willis) rettet ein Mädchen vor einem Vergewaltiger, findet dabei aber heraus, dass sein Gegner in der Stadt die besten Verbindungen hat. Der vierschrötige Marv (Mickey Rourke) wacht eines Nachts neben der Leiche einer wunderschönen Hure auf und macht sich auf die Jagd nach dem Mörder. Dwight (Clive Owen) legt sich wegen seiner Freundin Nancy (Jessica Alba) mit einem Mann an, vom dem er zu spät erfährt, dass er ein Cop ist.

Aus den Fugen

Das fragile Gleichgewicht von Sin City gerät durch diesen Mord aus den Fugen. Das organisierte Verbrechen, die Polizei, der Klerus, die Politik - alle sind sie in irgendeiner Form auf die weibliche Herrschaft der Prostituierten bezogen, auf die starken Frauen von Sin City, die gleichwohl auch des Schutzes bedürfen, wenn eine Verräterin aus den eigenen Reihen die Solidarität durchbricht.

Sin City ist so düster wie die Vorlage. Schwarz dominiert das Bild, nur gelegentlich durchbrochen von Rot (Lippen oder Blut) und einer gelben Kreatur, die sich als das Monster von Sin City erweist. Die Hintergründe sind dabei digital in das Bild kopiert. Rodriguez ließ die Schauspieler vor Blue Screen agieren und ergänzten dann die albtraumhaften Settings. Die Gewalt ist grafisch. Die Männer sind Superhelden des Leidens.

Durchgängig arbeiten Rodriguez und Miller mit der männlichen Off-Stimme, einem markanten Erkennungszeichen des klassischen Film noir. Die Stimme dient auch hier der Selbstdistanzierung - das Bewusstsein ist dem Körper immer schon voraus. Marv und Hartigan und Dwight wissen, dass sie auf verlorenem Posten sind. Sie wühlen sich trotzdem durch die Pfühle der Stadt, ihre Anstrengung wird immer grotesker, die Struktur der Geschichte verwickelter.

Sin City ist eine perfekte Comics-Verfilmung - interessanterweise hat das Kino der Vorlage aber nichts hinzuzufügen. Das Personal von "Basin City" wird nicht zum Leben erweckt, im Gegenteil - die Schauspieler erstarren zu den Silhouetten, auf die Miller sie in den entscheidenden Momenten reduziert. Mickey Rourke oder Bruce Willis sind in Sin City stärker in ihrem Element, als ihnen lieb sein kann. Aus dieser Stadt gibt es keine Rückkehr, nur eine ewige Wiederkehr des Gleichen. Rodriguez und Miller arbeiten bereits an einer Fortsetzung und damit an der Perfektionierung einer Vision, die irgendwann in einem Hörspiel vor Schwarzfilm gipfeln müsste. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.8.2005)