Graz - Religion hat die Denk- und Verhaltensweisen der Gesellschaft durch Jahrhunderte hindurch geprägt - und sie hat auch ihren Niederschlag im Sprachgebrauch gefunden. Am Institut für Germanistik der Universität Graz hat Cornelia Schlagbauer Entlehnungen aus dem religiösen Bereich erhoben, die in der heutigen Alltagssprache zu finden sind. Sie ist auf über 400 entsprechende Beispiele gestoßen.

Vage Vorstellung der ursprünglichen Bedeutung

99 Prozent der Menschen würden diese Ausdrücke unbewusst verwenden. "Heute haben wir von der Bedeutung der Phrasen oft nur eine vage Vorstellung", so die junge Grazer Germanistin. Man denke nur an die Stoßseufzer "Ach Gott!, "Du lieber Himmel!" "Jesus und Maria!" oder "Oje mine" bzw. "Herrjemine!". Hinter letzterem Klageruf, der seit dem beginnenden 18. Jahrhundert verwendet wird, verbirgt sich übrigens das lateinische "Jesus domine", also "Herr Jesus", weiß Schlagbauer.

In die Gemeinsprache übernommen

Wenn jemand sehr scharf getadelt und somit "abgekanzelt" wird, wird er das kaum mit einer ursprünglich gottesdienstlich und religiös motivierten Handlung - der Verkündigung von der Kanzel herab - in Verbindung bringen. Im 18. Jahrhundert sei dann "abkanzeln" im Sinne der Sittenpredigt in die Gemeinsprache übernommen worden. In die selbe Zeit fällt der Ursprung der "Beweihräucherung". Die religiöse Wurzel gehe über die Geschichte der katholischen Kirche hinaus und knüpft an die altrömische Sitte an, dass Senatoren bei Eintritt in den Senat auf den Altar, neben dem Standbild der Göttin stand, Weihrauch streuten.

"Adamskostüm"

Schlagbauer hat auch erhoben, dass ein "eingefleischter" Optimist, einiges mit Christus gemein hat. "Das Wort ist eine Lehnübersetzung von lateinisch "incarnatus" und bedeutet zu Fleisch geworden. Ursprünglich wurde es nur für Christus, dem Fleisch gewordenen Sohn Gottes, gebraucht. Als Umschreibung für einen Menschen, der von seiner Haltung nicht abzubringen ist, ist sie seit 1700 in Gebrauch. Eine relativ junge, auf biblische Personen Bezug nehmende Wortschöpfung ist das "Adamskostüm", das seit der Wende des 19. zum 20. Jahrhundert die Nacktheit "als eine andere Form von Bekleidetsein" umschreibt.

Ergänzt wird das von Schlagbauer für ihre Diplomarbeit gesammelte sprachliche Gut durch entsprechende Bilder: Sie können als Anschauungsmaterial für künftige pädagogische Aufbereitung dienen oder im Religionsunterricht den interreligiösen Dialog in einer multikulturellen Gesellschaft fördern, so die Germanistin. (APA)