Mein Kolumnisten-Kollege und Freund Christian Ortner hat in der Presse die Europäer verhöhnt, weil sie mit ihrer "soft power" (Verhandlungen, Zuckerbrot statt Peitsche) die Nuklearambitionen des Iran nicht verhindern konnten.

Dagegen seien die Amerikaner mit ihrer "hard power" (Einmarschieren ohne wirklichen Kriegsgrund, Errichtung einer Demokratie im Irak mit rein militärischen Mitteln) vergleichsweise erfolgreicher. Das ist eine Zuspitzung, die man so betreiben kann, die im konkreten Fall aber schlecht passt: wenn Ortner meint, die Iraker blickten (laut Meinungsumfragen) optimistisch in die Zukunft, dann kann es sich nur um die Intervalle zwischen zwei Bombenattentaten handeln, bei denen bisher einige Tausend irakische Zivilisten ihr Leben lassen mussten.

Durch die Fahrlässigkeit und Arroganz nicht "der Amerikaner", sondern der Regierung Bush, die "democracy on the cheap" bringen will, ist ein halbwegs glücklicher Ausgang des Abenteuers Irak auch für die Iraker selbst äußerst unwahrscheinlich geworden. Die Bevölkerung hat nach wie vor Mangel am Notwendigsten, die Terroristen sind nicht unter Kontrolle gebracht. Was die Demokratisierung betrifft, so besteht im schiitischen Süden de facto ein Gottesstaat.

Die Regierung Bush hat sich im Irak ausschließlich, auf "hard power" verlassen, also aufs Militär, aber selbst das war und ist unzureichend – und hat auf soft power (Wirtschaftshilfe, konkrete Erziehung zu Demokratie) so gut wie ganz verzichtet. Im Übrigen hat sich die Intervention im Irak als Multiplikationsfaktor für den islamischen Terrorismus erwiesen.

Kurzum, hard power ohne soft power ist kontraproduktiv. Die USA haben Europa militärisch vom Nazismus befreit und dann Westeuropa vor dem Kommunismus bewahrt, indem sie Marshallplan-Hilfe leisteten. Man braucht beides und es wäre in der Tat besser, wenn die USA und Europa hier ihre jeweiligen Stärken ausspielen würden. Im Fall des Irak war es außerordentlich klug von den (meisten) Europäern, sich nicht an einem solchen Abenteuer zu beteiligen.

Was den Iran betrifft, so ist es fraglich, ob die USA überhaupt militärisch vorgehen können, weil sie durch den Irakkrieg stark überdehnt sind. Schläge aus der Luft ja, aber eine militärische Besetzung ist unmöglich. Aber zerstörte Anlagen kann man wieder aufbauen.

Die Regierung Bush hat denn auch den Europäern den Vortritt mit ihren diplomatischen Maßnahmen gelassen, weil sie selbst keine Ahnung haben, wie sie gegen den Iran vorgehen sollen. Wie erfolgreich die harte Linie gegenüber dem atomaren Newcomer Nordkorea war (die übrigens vom neuen UN-Botschafter John Bolton implementiert wurde), sieht man ja. Nicht, dass es ein Patentrezept für den Umgang mit einem völkermörderischen Steinzeitregime wie dem in Nordkorea gäbe, aber das Prinzip "keine direkten Verhandlungen" war jedenfalls nicht von Erfolg gekrönt.

Für die iranische Führung und wohl auch für große Teile der Bevölkerung ist die nukleare Option inzwischen eine Sache des Nationalstolzes. Mit Diplomatie allein geht es – offenbar – nicht, sie von diesen Plänen abzubringen. Aber mit nackter militärischer Drohung auch nicht. Wahrscheinlich benötigt man auch hier einen Mix von beidem. Die militärische Option darf nie ausgeschlossen werden. Es gibt Regimes auf dieser Welt, denen nicht anders beizukommen ist. Aber im Falle der Regierung Bush ist es weniger eine Frage von soft power oder hard power, sondern von brain power. (DER STANDARD, Printausgabe, 13.8.2005)