New York - Die Angst vor Versorgungsengpässen treibt die Ölpreise auf immer neue Rekordstände. In New York hat Rohöl am Wochenende erstmals die Marke von 67 Dollar je Barrel (159 Liter) übersprungen. Am Montag gaben die Preise nur leicht nach: US-Öl wurde im asiatischen Handel am Vormittag (MESZ) um 66,50 Dollar (53,4 Euro) das Fass gehandelt. Händler gingen am Montag aber davon aus, dass die Verschnaufpause nur kurz währen würde.

Die Nachfrage nach Öl sei weiterhin hoch und die Probleme bei den US-Raffinerien, die zu Engpässen in der Versorgung führen könnten, bestünden weiter. Nach Expertenansicht rückt die Marke von 80 Dollar je Barrel in greifbare Nähe.

Benzinpreise steigen

Der Ölpreis treibt auch die Benzinpreise weiter an. In den USA könnte die drittgrößte Fluggesellschaft Delta Air Lines Medienberichten zufolge durch die hohen Kerosinpreise in ein Insolvenzverfahren gezwungen werden.

US-Rohöl der Marke WTI zur Auslieferung im September stieg in New York am Freitag bis auf 67,10 Dollar je Barrel. In London erreichte Nordsee-Öl der Marke Brent mit 66,77 Dollar pro Barrel ebenfalls einen Rekordpreis. Im kommenden Monat könnten die Brent-Lieferungen wegen Reparaturarbeiten deutlich geringer ausfallen, berichtete die Wirtschaftsagentur Bloomberg am Wochenende.

Der Atom-Streit zwischen dem Iran mit dem Westen könnte den Ölpreis auf 80 Dollar je Barrel und mehr treiben, sagte der Energieexperte beim Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archiv (HWWA), Klaus Matthies, dem "Tagesspiegel".

Die Verhandlungen der drei EU-Staaten Deutschland, Großbritannien und Frankreich mit dem Iran über das Atomprogramm des Religionsstaates haben in den vergangenen Tagen an Schärfe zugenommen. Der Streit könnte vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UN) landen, der Sanktionen verhängen kann. US-Präsident George W. Bush unterstrich am Samstag die Bereitschaft seines Landes, das Problem notfalls militärisch zu lösen. Deutschlands Bundeskanzler Gerhard Schröder warnte vor einer solchen Option. Ohne eine schnelle Einigung mit dem Iran im Atom-Streit ist nach Einschätzung Schröders mit neuen Rekordständen beim Ölpreis zu rechnen.

Grund für den zuletzt wieder rasanten Preisanstieg ist aber auch die Sorge, die Ölförderung könnte im weiteren Jahresverlauf der wachsenden Nachfrage nicht gerecht werden. Die Internationale Energieagentur (IEA) rechnet für dieses Jahr mit einem globalen Nachfrageanstieg um zwei Prozent auf 83,7 Mio. Barrel pro Tag. Dies entspricht einem täglichen Mehrbedarf von 1,6 Mio. Barrel. 2006 dürfte der Ölverbrauch weiter um 2,1 Prozent auf 85,5 Mio. Barrel am Tag zulegen. Freie Förderkapazitäten sind aber relativ knapp. Bei den OPEC-Ländern zum Beispiel hat sie nur Saudiarabien.

Auch die Benzinpreise in den USA erreichten inmitten der Reisesaison ein Rekordhoch. Mit 2,413 Dollar je Gallon (3,8 Liter) - umgerechnet rund 0,51 Euro-Cent je Liter - sind sie im Vergleich zu Europa zwar noch vergleichsweise moderat, die amerikanischen Autos haben aber traditionell einen höheren Verbrauch. Mit dem Ende der US-Urlaubssaison Anfang September wird mit einer Entlastung des Benzin- und Ölmarktes gerechnet. Auf die USA entfällt rund ein Viertel des weltweiten Ölverbrauchs. Das Anziehen der US-Konjunktur führte im Juni wieder zu höheren Ölimporten, was angesichts der steigenden Preise das Juni-Handelsbilanzdefizit um 6,1 Prozent auf 58,8 Mrd. US-Dollar anwachsen ließ.

Delta Air Lines habe unter dem Druck der steigenden Kerosinpreise Gespräche über die Finanzierung eines Gläubigerschutz-Verfahrens nach Kapitel 11 des US-Insolvenzrechts begonnen, berichteten die "New York Times" und Bloomberg unter Berufung auf mit der Entwicklung vertraute Personen. Es sei aber noch nichts entschieden.

Im vergangenen Oktober hatte Delta ein Gläubigerschutz-Verfahren dank hoher Einkommens-Zugeständnisse des Personals abwenden können. Die steigenden Treibstoffpreise hätten jedoch das bisherige Sparprogramm mit Kostensenkungen von fünf Mrd. Dollar bis 2006 obsolet gemacht. Nach Berechnungen der Airline koste sie jeder Anstieg der Kerosin-Preise um einen US-Cent je Gallon 25 Mio. Dollar, berichtete die "New York Times". Das Wachstum der Preise um 35 Cent seit Jänner mache damit zusätzliche Einsparungen von rund 875 Mio. Dollar notwendig. (APA/dpa/Reuters)