Zamalek oder Ahli? Wer aus Ägypten nach Gaza kommt, wird als Erstes nach seiner Sympathie für die großen rivalisierenden Fußballvereine gefragt. Bis 1967 unterstand der Gazastreifen ägyptischer Kontrolle. Abgebrochen sind die engen Verbindungen nie - der Grenzübergang in Rafah ist für die Bevölkerung im Gazastreifen die einzige Verbindung zur Außenwelt, und in diesen Wochen des israelischen Rückzugs spielt Kairo wieder eine zentrale Rolle.

"Das ägyptische Engagement ist von den verschiedenen Faktoren der wichtigste, wenn es darum geht, stabile Verhältnisse auf der palästinensischen Seite zu schaffen", erklärt etwa der Psychiater und politische Analyst Eyad Sarraj. Die Bemühungen des großen Nachbarn werden von allen Seiten geschätzt.

Die ägyptische Regierung arbeitet sowohl auf der militärischen als auch der politischen Ebene. Eine hochrangige Mission des Geheimdienstes ist seit Wochen permanent in Gaza und wird auch vorläufig dort bleiben. Vor wenigen Tagen sind zudem 34 Offiziere eingetroffen, die helfen sollen, die Neustrukturierung der palästinensischen Sicherheitskräfte und ihre Ausbildung voranzutreiben.

Mit der israelischen und der amerikanischen Regierung ist nun auch eine grundsätzliche Einigung erzielt worden, dass 750 bis 1000 ägyptische Grenzpolizisten nach dem israelischen Abzug den so genannten Philadelphia-Korridor kontrollieren werden. Diese 13 Kilometer lange Grenze - die Ägypter nennen sie Salah el-Din-Korridor - trennt den ägyptischen Sinai vom Gazastreifen. Israel verlangt von Kairo insbesondere, dass der Waffenschmuggel in diesem Gebiet unterbunden wird.

Zum ersten Mal nach dem Friedensabkommen von Camp David, als dieses Gebiet zur Sonderzone erklärt wurde, erhält Ägypten nun die Möglichkeit, hier die militärische Präsenz zu verstärken. Insbesondere nach den Bombenanschlägen in Taba und Sharm el-Sheikh wurden in Ägypten verschiedene Stimmen laut, die eine Neuverhandlungen dieser Verträge mit Israel forderten, um die militärischen Einschränkungen auf dem Sinai mit den neuen Sicherheitsanforderungen in Einklang zu bringen.

Emissäre aus dem Nilland sind aber auch auf politischen Gebiet aktiv. Im Laufe der Intifada haben sie bereits mehrmals durch einen Dialog mit allen militanten Fraktionen versucht, eine Waffenruhe auszuhandeln. Derzeit gilt noch ein Abkommen, das im Frühjahr in Kairo geschlossen worden ist. "Die Ägypter haben ein großes Gewicht und dazu bracht es auch keine Militärpräsenz vor Ort. Keine der Fraktionen, auch nicht die regierende Fatah, kann sich mit ihnen direkt anlegen", sagt Sarraj.

Während das Regime von Präsident Hosni Mubarak sich im eigenen Land strikt weigert, mit den Islamisten zu reden, setzt man sich in Gaza mit Hamas und Djihad an einen Tisch. "In Ägypten sind die Umstände anders, das hat mit den Verhältnissen in Palästina nichts zu tun. Hier spielen die Ägypter eine wichtige Rolle für den Dialog. Auch als Gegengewicht zur regierenden Fatah", erklärt Hamas-Sprecher Sami Abu Zuhri. Die Strategie der ägyptischen Vermittler sieht als Erstes ein Ende der Gewalt und dann die Abhaltung von Neuwahlen vor, um die politischen Gewichte den Realitäten anzupassen.

Für Ägypten ist die Entwicklung im Gazastreifen eine Frage der nationalen Sicherheit. Instabilität oder eine Dominanz islamistischer Extremisten könnten auch auf das eigene Land ausstrahlen. Die Führung in Kairo ist aber sorgsam darauf bedacht, nicht den Eindruck zu erwecken, man würde den Handlanger von Premier Ariel Sharon spielen. Deshalb betont sie immer wieder, dass der Rückzug aus Gaza nur ein Anfang sein kann und die Umsetzung der Roadmap, die zu einem palästinensischen Staat führen soll, unverzüglich begonnen werden müsse. (DER STANDARD, Printausgabe, 16.08.2005)