Debatte
Aufstehen! Weitermachen!
Doris Krumpl zur Lage von feministisch inspirierter Kunst in Österreich
Im Russland des Jahres 1994 befragte ich unzählige Kunstschaffende der ehemals inoffiziellen Kunst,
der Kunst im Untergrund: Was hat sich verändert nach der politischen Wende? Und inwiefern auch die
künstlerische Arbeit? Die für mich damals nahezu unerklärliche Antwort lautete: “Wir machen weiter
wie bisher.” Dem Recht der freien Meinungsäußerung hatte man nie so recht getraut, obwohl man
seine Meinung äußerte. Aber mit subtilen Strategien und klug. Man schützte sich nicht mit
aggressiven Kampfparolen, sondern mit hintergründiger Ironie, märchenhafter Symbolsprache, erschuf
neue Codes. Und über allem hoppelte symbolisch der Hase, schlug seine Haken als Metapher des
ewig entfliehenden, nicht greifbaren Sinns. In der Küche führte man die wichtigsten Gespräche. In der
apt art - apartment art - lebte die Kunst fort.
Symbole und Gegenstrategien für das entfliehende, nicht mehr greifbare Geld für Frauenforschung und
kritische Kunst müssen in Österreich angesichts des Regierungwechsels erst gefunden werden. In
jeder Hinsicht. Feministisch inspirierte Kunst, die per se kritisch in verschiedensten
“Aggregatzuständen” ist, wird dabei - in Zeiten, wo Kultur immer mehr zur Sättigungsbeilage der
Freizeitindustrie verkommt - besonders in die Mangel genommen. Ihr wird schier der Boden
entzogen. Und zwar in der coolen, pragmatischen Variante: keine Kritik an den Inhalten, sondern
gleich die Existenzgrundlage nehmen: Geld, Subventionen etc.
Lautes Plärren von schwachsinnigen Phrasen wie Haider=Hitler oder hakenkreuzversehene Aquarelle
gegen Schwarz-Blau werden dagegen nichts ausrichten.
Nicht dass russische Verhältnisse eins zu eins auf Österreich anwendbar sind. Aber: Es gilt
Weitermachen wie bisher. Mit geschärften Sinnen und klugen, nicht allzu vordergründigen Strategien,
die strukturelle, pragmatische Dinge betreffen (So plant eine Initiative, Staatspreisgelder in einen
Fonds einzuzahlen, der dann andere Kunstschaffende, die es bitterer nötig haben als “Etablierte”,
finanziell unterstützt).
Weitermachen heisst auch, Dienststellen nicht aus “Protest” aufzugeben, kampflos. Weitermachen,
denn Wendehälse und Drittklassige scharren nur so in den Startlöchern. Wunderbar für sie, wenn das
Feld so widerstandslos geräumt wurde, im Namen des sogenannten “Widerstandes”. Weitermachen,
vor einem anderen Hintergrund. Falls jemand wirklich aus politischen Gründen “entfernt” wird, dann ist
noch Zeit und Platz genug für medienwirksame Martyrien.
Aber dennoch, obwohl es auch zynisch verstanden werden kann: Nicht zu viel leiden. Nicht zuviel Luft
auslassen, nicht zuviel Energie abgeben beim lauten Schreien. Den Humor nicht verlieren, vielmehr
ihn als Waffe entwaffnend einsetzen. Weiterdenken. Weitermachen.