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Mohnplantage, heute zur Opiumgewinnung für den illegalen Drogenmarkt. 1805 wurde aus der Pflanze erstmals Morphium isoliert, das die Schmerzbehandlung revolutionierte.

Foto: REUTERS/Kamran Wazir
Vor nunmehr 200 Jahren entdeckte der deutsche Apotheker Friedrich Wilhelm Sertürner das Morphium. Dieses Medikament sollte nicht nur die Schmerzbehandlung in der Medizin revolutionieren, sondern auch den Beginn der pharmazeutischen Industrie markieren.

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Berlin - Manche Entdeckungen warten lange auf Anerkennung. So erging es auch jener des Deutschen Friedrich Wilhelm Sertürner (1783-1841), der vor 200 Jahren als 22-jähriger angehender Apotheker das erste Mal über die Isolation eines bis dahin unbekannten Pflanzeninhaltsstoffes aus Opium berichtete. Doch erst mehr als ein Jahrzehnt später konnte er die wissenschaftliche Welt darauf aufmerksam machen. Dann jedoch trat Morphium (heute: Morphin) als Schmerzmittel seinen weltweiten Siegeszug an.

Schon früh interessierte sich Sertürner für die medizinische Wirkung mancher Pflanzen. Bereits während seiner Lehrzeit konzentrierten sich sein Arbeiten auf Opium - eine der wichtigsten Arzneien zu seiner Zeit, aber problematisch in der Anwendung, denn die gleiche Menge Opium rief stets verschieden starke Wirkungen hervor.

Sertürner vermutete, dass eine schmerzstillende Substanz enthalten sein muss, die je nach Wuchsbedingungen in unterschiedlichen Konzentrationen enthalten ist. Bereits 1804 begann Sertürner damit, Rohopium auszukochen: Er erhielt nach Neutralisation mit Ammoniak einen grauen, kristallinen Rückstand, für den er im Hundeexperiment feststellte, dass er für die einschläfernde Wirkung des Opiums verantwortlich ist.

1805 schrieb Sertürner an den deutschen Begründer der wissenschaftlichen Pharmazie, Anton Bartholomäus Trommsdorf, über seine Entdeckung, damals noch als "Säure im Opium". Trommsdorf veröffentlichte Sertürners Briefe 1805 in seinem Journal der Pharmacie fuer Aerzte und Apotheker, der weltweit ersten pharmazeutischen Fachzeitschrift. Doch Sertürner war kein Wissenschafter, seine Angaben nicht sorgfältig genug, die Fachwelt nahm ihn nicht ernst.

Erst als er sich 1817 erneut, diesmal in den renommierten Annalen der Physik, und ausführlicher zu seinen Versuchen äußerte und erstmals die entdeckte Substanz - nach Morpheus, dem griechischen Gott der Träume - Morphium nannte, erregte er Aufsehen. Das von Sertürner isolierte reine Morphium ermöglichte Medizinern nun erstmals eine exakte Dosierung des effizienten Schmerzmittels.

Die Grenzen erreicht

Die schnell steigende Nachfrage nach dem Schmerzmittel brachte bald die Labors der Apotheken an ihre Grenzen. Etliche Apotheker - einer der ersten war Emmanuel Merck, damals Besitzer der Engel-Apotheke in Darmstadt - errichteten also größere Produktionsstätten und machten damit auch die pharmazeutische Industrie zu einem eigenständigen Wirtschaftszweig. Weitere Forschung brachte alsbald auch neues Wissen über die Wirkung des Morphins.

Der Stoff blockiert im zentralen Nervensystem (ZNS) die Opiatrezeptoren, verhindert dadurch die Schmerzweiterleitung und lässt den Patienten schließlich weniger Schmerz verspüren. Und im peripheren Nervensystem setzt es zudem die Schmerzempfindlichkeit der Nervenenden herab. Eine Wirkung, die Morphin und seine Derivate auch heute noch zu einem der gefragtesten Mittel gegen starke Schmerzen macht. Allein - bei den Nebenwirkungen hat sich in den vergangenen 200 Jahren nicht sehr viel getan. Neben Übelkeit, Müdigkeit und Juckreiz ist es vor allem die fast immer auftretende Verstopfung, wegen der die Schmerztherapie nicht selten abgebrochen werden muss.

Große Hoffnung setzen Mediziner daher auf den von Leon Goldberg an der Uni Chicago neu entwickelten Wirkstoff "Methylnaltrexone" - als Begleitarznei. Dieser kann die Blut-Gehirn-Schranke nicht überwinden, beeinträchtigt also nicht die schmerzlindernde Wirkung des Morphins. Er besetzt aber im Darm entsprechende Rezeptoren: Das Morphin kann an diesen nicht mehr andocken und ist im Darm unwirksam. Die Zulassung: in ein bis zwei Jahren. (DER STANDARD, Printausgabe, 16.08.2005)