Paris - Bei Demonstrationen bellt sie auch mal hinter ihrer hölzernen Hundemaske hervor. Aber sonst gleicht Florence Montreynaud eher jenen Pariserinnen, denen sie auf dem Gehsteig Flugblätter mit der Aufschrift Grrrrr! in die Hand drückt. Die 51jährige Kosumentenschützerin mit dem gutbürgerlichen Look ist die Anführerin der "Chiennes de garde", die in Frankreich seit längerem Furore machen ( dieStandard berichtete). Fühlt sich eine Französin als Opfer sexistischer Praktiken, wendet sie sich heute zuerst an die Wachhündinnen. Begonnen hatte es 1999: Fünf Frauen und Florence Montreynaud hatten genug von verbalen Unflätigkeiten. "Wer sich einer Frau des öffentlichen Lebens gegenüber sexistisch verhält, beleidigt alle Frauen", schrieben sie in einem Manifest. "Jede Frau, die öffentlich vorwärts kommt und erfolgreich ist, wird verdächtigt, sich ihre Position 'erschlafen' zu haben." "Finden Sie diesen Mann sexy?" Vor allem aber liessen die sechs den Worten Taten folgen. Immer wieder rückten sie den Machos vom Dienst zu Leibe. Von einem sozialistischen Parteifunktionär, der bei Wahlen nur "sexuell anziehende" Kandidatinnen aufstellen wollte, spielten sie den Medien ein Urlaubsfoto in Badehose und mit Schmerbauch zu - sowie die Frage: "Finden Sie diesen Mann sexy?" Weit über tausend Frauen - und einige Männer - unterzeichneten das Manifest bisher. Darunter sind unter anderem Voynet, die Modedesignerin Sonia Rykiel, die sozialistische Ex-Frauenministerin Yvette Roudy, die gaullistische Abgeordnete Roselyne Bachelot, die Schriftstellerin Benoite Groult oder die Regisseurin Ariane Mnouchkine. Die Chiennes de garde - ein bewusst gewählter Name, da "chienne" im Französischen einen ordinären Beiklang hat - werden heute überall zu Rate gezogen, wo "sexistische Verbalgewalt" (so das Manifest) ausgeübt wird. Auf ihr Geheiss versprachen die in der aktuellen Linksregierung sitzenden Ministerinnen wie Voynet, Aubry oder Elisabeth Guigou (Justiz), jedes Mal geschlossen die Nationalversammlung zu verlassen, wenn ein Parlamentarier erneut frauenfeindliche Sprüche klopfe. Die wenig zimperliche Art der erbosten Frauen hat in Frankreich Tradition, nachdem 1971 in Paris die "343 salopes" (Schlampen) öffentlich ihre Abtreibung bekannt hatten. Von herkömmlichem Feminismus halten sie aber nicht viel: Der bringe die Leute nur zum Gähnen oder rufe sarkastische Reaktionen hervor. Bisher geben ihnen die Reaktionen recht. Niemand im Land macht sich über die Wachhündinnen lustig. Kritik Verhaltene Kritik gibt es trotzdem - und nicht von Seiten der Machos. Erfahrene Feministinnen werfen den politisch nicht festgelegten Wachhündinnen vor, sie suchten den reisserischen Effekt und seien wohl nur ein kurzlebiges Modephänomen. "Eine Prominente, eine Beleidigung - und schon rennen sie los", kritisierte eine Gegnerin. Florence Montreynaud steht dazu, in erster Linie das Medienecho zu suchen. Das sei heute unerlässlich. Wie Greenpeace im Umweltbereich liest das Kollektiv die "bearbeiteten" Dossiers so genau aus wie es die Operationen plant. Der Fall einer sexuell belästigten Universitätsforscherin wurde als "zu elitär" abgelehnt; bei einer sexuell belästigten Fussballtrainerin, die am 19.4 vor einem Gericht in Nanterre (bei Paris) klagte, mobilisierten sie jedoch die Fernsehkameras. Auch über ihr eigenes Image wachen die "Chiennes de garde": Die Anfrage eines Schweizer Frauenkollektivs, das ihre längst patentierte Bezeichnung übernehmen wollte, wurde abschlägig beantwortet. Was den Wahlspruch des Internet-Manifestes, "Wachhündinnnen aller Länder, vereinigt euch!", ein wenig relativiert. (Stefan Brändle/red) www.chiennesdegarde.org