Edeltraud Stiftinger
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    Neben dem Bund unterstützt auch die Stadt Wien Forschungs- und Entwicklungsprojekte. Verantwortlich dafür sind Edeltraud Stiftinger und Bernd Rießland, die im Gespräch mit Klaus Taschwer erklären, was an dem Wiener Modell neu ist und warum für sie Förderung viel mehr bedeutet als bloß die Ausschüttung von Geld.

Standard: Warum leistet es sich die Stadt Wien, Forschung und Technologie zu fördern, obwohl das ja auch schon der Bund tut?

Rießland: In der Forschungs-und Technologieförderung geht es im Normalfall um große Beträge. Das spricht auf den ersten Blick gegen die kommunale Ebene - die Entwicklung des Airbus oder eines anderen Großprojekts kann natürlich nicht von einer Region wie der Stadt Wien finanziert werden. Auf der anderen Seite entstehen viele wichtige Innovationen in kleinen Unternehmen und durch Kommunikation auf lokaler Ebene. Und so gesehen macht es schon Sinn ...

Stiftinger: ... auch weil wir räumlich näher bei den Unternehmen sind. Unser Arbeitsalltag besteht im Wesentlichen darin, dass wir mit den Unternehmern und Forschern kommunizieren und so einfach besser wissen, was ihre Bedürfnisse sind. Insofern können wir auch Fördermaßnahmen entwickeln, die den Bedürfnissen der Firmen besonders gut angepasst sind.

STANDARD: Stimmen Sie sich mit den staatlichen Fördereinrichtungen ab?

Stiftinger: Wir arbeiten bei allen unseren Programmen sowohl mit dem Austria Wirtschaftsservice als auch mit der Forschungsförderungsgesellschaft des Bundes eng zusammen. Die FFG ist bei unseren Ausschreibungen auch in der Jury vertreten. Eine inhaltliche Abgrenzung oder Ergänzung zur FFG besteht vor allem darin, dass wir niedrig-schwellig fördern. Wenn wir also etwa Kooperationen zwischen Wirtschaft und Wissenschaft unterstützen, dann geht es nicht um komplexe Kooperationsbeziehungen zwischen einem Unternehmen und einer Universität, wie das etwa Kompetenzzentren-Programme fordern. Wir wollen vor allem Unternehmen motivieren, die noch nie eine Kooperation mit einer wissenschaftlichen Einrichtung hatten. Eine solche 'erste Kooperation' findet in der Regel in Form eines Auftrages statt, den ein Unternehmen an ein Universitätsinstitut vergibt, und nicht in Form von differenzierten Kooperationsverträgen. Wir fördern also Einstiege und setzen nicht bei der Spitze an.

Rießland: Ein anderer Unterschied besteht darin, dass wir unsere Förderung von einem Antrags- auf ein Wettbewerbsmodell umgestellt haben. Das heißt, dass Firmen nicht einfach Anträge stellen und dann bei positiver Begutachtung Geld bekommen, sondern es gibt Calls zu verschiedenen, von uns vorgegebenen Schwerpunkten wie Life-Sciences, Informations-und Kommunikationstechnologien oder Creative Industries, bei denen die besten eingereichten Projekte gefördert werden. Das hat zudem den Vorteil, dass so die Zeit vom Antrag bis zur Entscheidung und von da bis zur Auszahlung entscheidend verkürzt werden konnte. Früher brauchte es 18 Monate, bis über ein eingereichtes Projekt entschieden wurde, und das Geld wurde erst am Schluss des Projekts ausgezahlt. Heute gibt es einen Aufruf zur Einreichung, je nachdem sind dann rund zehn Wochen Zeit für die Antragstellung. Das Begutachtungsverfahren dauert dann etwa zwei Monate. Und unmittelbar danach fließt Geld.

STANDARD: Und wie sind Sie denn auf diese spezielle inhaltliche Ausrichtung der Calls gekommen?

Stiftinger: Dass wir bei der Neuausrichtung der Technologieförderung nach dem Jahr 2000 die Life Sciences und den IKT-Sektor ausgewählt haben, war nicht weiter überraschend. Einerseits haben auch viele andere Regionen diese beiden Bereiche gewählt, und andererseits war klar, dass diese beiden Sektoren in Wien bereits gut entwickelt waren. Außergewöhnlich war sicher der Schwerpunkt Creative Industries. Da haben wir ganz bewusst etwas ausprobiert. Und mit dem FemPower Call, bei dem betriebliche Forschungsprojekte mit einem hohen Frauenanteil gefördert wurden, haben wir bewusst die Mission verfolgt, Frauen in der betrieblichen Forschung zu stärken.

STANDARD: Sind diese beiden Schwerpunkte, die zuletzt genannt wurden, auch aufgegangen?

Stiftinger: Ja. Wir hatten beim Call FemPower Vienna 2005 immerhin 27 Einreichungen. Da gab es eigentlich nur die Diskussion, dass dieser Schwerpunkt auch nachhaltig sein muss, weshalb wir jetzt die Genderfrage bei allen unseren Programmen berücksichtigen. Bei den Creative Industries gab es über hundert eingereichte Projekte, von denen 17 Geld vom ZIT bekamen. Da gab es insofern Reibungspunkte, als wir viele Projekte ablehnen mussten und andere hart an der Grenze dessen waren, was man noch unter Forschung verstehen kann. Diese Herausforderungen wurden mit der Gründung von departure aufgegriffen, die zur maßgeschneiderten Unterstützung der Creative Industries entwickelt wurde.

Rießland: Es gab aber auch tolle Projekte, zum Beispiel das der Vienna Symphonic Library, eine Art digitalisiertes Archiv der Klänge eines Orchesters. Das Unternehmen bestand im Wesentlichen aus einer Person und hatte zudem einen sehr hohen Förderungsbedarf. Das war der erste Preisträger, und wir haben das mit etwas Mühe durchgebracht. Wenn der Glaube vorhanden ist, dass etwas ein innovatives Produkt werden kann, dann hat das bei uns eine Chance. Das ist auch der Hintergrund für den aktuellen Call für Innovationen in Kleinunternehmen, der noch bis 21. September läuft. Wichtig ist die innovative Idee.

STANDARD: Sind die Firmen und die Forscher darauf, vorbereitet, dass Themenvorgaben der Calls relativ kurzfristig bekannt werden? Oder könnte Ihnen dadurch auch einiges an Innovationen entgangen sein?

Stiftinger: Ich denke nicht. Wir führen in der Vorbereitungsphase etliche Gespräche mit handelnden Akteuren. Zudem spielt die öffentliche Bewerbung der Themen und das Marketing eine wichtige Rolle. Denn zum einen bekommen wir ohne das Marketing keine guten Projekte. Zum anderen investieren wir einen kleinen Teil unseres Budgets ganz bewusst in die Bewusstseinsbildung - um Sichtbarkeit herzustellen, aber auch, um jungen Menschen Lust auf Forschung und Technologie zu machen. Man unterschätzt ja gemeinhin, wie wichtig in dem ganzen Innovationsbereich das Marketing ist.

STANDARD: Forschungsförderung ist also nicht allein das Ausschütten von Geld?

Rießland: Das war einmal. Geld ist sicher auch sinnvoll und notwendig. Aber für uns ist Förderung heute ein umfassender Begriff. Am wichtigsten ist für uns, Kommunikation herzustellen, öffentliche Impulse zu setzen und Selbstbewusstsein in bestimmten Bereichen zu vermitteln. Das hat auch eine Mobilisierungsfunktion. Die Innovationskraft einer Stadt oder eines Landes korreliert nicht unbedingt mit der Forschungsquote, also den Ausgaben für Forschung und Entwicklung. Für den Standort Wien ist es wichtiger, wenn hier ein breites öffentliches Bewusstsein für Technologie und eine innovationsfreundliche Atmosphäre vorhanden ist, als ein paar Hunderttausend Euro mehr an Forschungsförderung.

(DER STANDARD, Print, 16.8.2005)