Besonders kreativ ist man in Sofia zurzeit nicht. Vor drei Wochen war Sergej Stanischew schon ein Mal Ministerpräsident Bulgariens. Nun hat sein Konkurrent Simeon Sakskoburggotski, genannt "der Zar", der das Kabinett des Sozialistenchefs damals nicht goutierte, doch noch jene Koalitionsvereinbarung unterschrieben, die er vor einigen Wochen zurückgewiesen hat. Und damit den letzten Rest an Glaubwürdigkeit verspielt. Zunächst hatte Sakskoburggotski vorgeführt, dass er nicht verlieren kann, selbst wenn das Volk ihn abwählt. Um Stanischew zu verhindern, paktierte er dann sogar mit dem wüsten Antisemiten Wolen Siderow, dem Chef der Partei Attacke. Auf der Attacke-Homepage wurden eine Liste mit 1500 Namen bulgarischer Juden veröffentlicht und Juden als "gefährliche Rasse" bezeichnet.

Die Sozialisten, die Zarenpartei und die Türkenpartei haben sich nun zusammengerauft, auch weil bei einer Neuwahl nur Siderow auf Stimmengewinne hätte hoffen können. Premier Stanischew muss jetzt zeigen, dass er das Land im Jänner 2007 in die EU führen kann. Eine Verschiebung des Beitritts hängt davon ab, ob die dringend notwendige Justizreform noch im September durchgebracht wird und die Europäische Kommission im Oktober in einem Fortschrittsbericht ihren Sanktus gibt. Der 39-jährige Historiker muss dazu nicht nur die radikalen Kräfte in der eigenen exkommunistischen Partei in Zaum halten.

Die große Koalition kann zwar Reformen durchsetzen, unwahrscheinlich bleibt aber, dass der "Zar" mit Stanischew vernünftig zusammenarbeiten wird. Die Sofioter Intrigen der vergangenen Wochen haben tiefes Misstrauen hinterlassen. Auch die Geschichte beider Männer trägt dazu bei. Stanischew ist der Sohn eines Kommunisten und Genossen von Exdiktator Todor Schiwkoff, der im Krieg gegen die Regierung von Sakskoburggotskis Vater, König Boris III., gekämpft hat. (DER STANDARD,Print, 17.8.2005)