Bild nicht mehr verfügbar.

Junge Katholiken aus aller Welt feiern den Papst (im Hintergrund)

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd
Grafik: STANDARD/F.A.Z.
Das Holzkreuz ist 31 Kilogramm schwer und fast vier Meter groß und wurde seit Anfang Juli quer durch Deutschland getragen. Zu Fuß 750 Kilometer weit zum katholischen Weltjugendtag 2005 (WJT), der Dienstag in Köln begann.

Warum tun sich das junge Leute zwischen 18 und 35 Jahren an? Hat die Jugend ihre Religiosität neu entdeckt?

"Gemeinschaft von Gleichgesinnten"

Der Wiener Religionswissenschafter Adolf Holl sieht diesen Trend nicht. "Wenn das Angebot flott daherkommt, wie dieser Tage der Weltjugendtag, dann gehen die hin. Das heißt aber nicht, dass sie in der Folge sonntags in die Messe gehen – auch in Polen nicht", sagt Holl im Gespräch mit dem Standard. Der Event gehöre in den Bereich der Erlebniskultur eingeordnet: "Ich kriege hier eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten, international womöglich. Und darüber schwebt ein paar Tage, auch wenn ich nicht genau weiß, was, etwas Höheres, wenn Sie so wollen, Gott."

Zum Höhepunkt des Weltjugendtages, der von Papst Benedikt XVI. zelebrierten Messe auf dem Marienfeld, einem früheren Braunkohletagebau westlich von Köln, werden bis zu einer Million Pilger aus 200 Ländern erwartet.

Vom Kirchenchor zum Yoga

Die Leute seien, meint Holl, zu "Rosinenpickern" geworden, würden in Tibet Tempel besuchen, im Kirchenchor singen und dann zum Yoga hetzen. Holl: "Es geht hier eine Schere auf: Einerseits gibt es durchaus Interesse an Außeralltäglichkeiten, die man bis jetzt mit Religion bezeichnet hat, andererseits wird daraus aber keine Form eines kulturell greifbaren Netzwerkes."

"Beim Weltjugendtag wird sichtbar, was auch unsere Studien zeigen, dass es bei den Jugendlichen eine starke Sehnsucht nach Spiritualität und glaubwürdigen Personen gibt", erklärt Regina Polak, Werteforscherin am Institut für Pastoraltheologie an der Universität Wien. Daher könne keine Rede von nicht religiösen Jugendlichen seien: Die Institutionenskepsis sei zwar hoch. "Wir wissen aber, dass Jugendliche beten. Ob das dann der Gott der Bibel ist, ist eine theologische Frage."

Kirche ist uninteressant

Bei der bislang letzten Jugendwertestudie in Österreich aus dem Jahr 2000 bezeichneten sich 42 Prozent aller 14- bis 24-Jährigen als "religiöse Menschen" – um neun Prozentpunkte weniger als 1990. Innerhalb dieser Dekade hat sich auch der Anteil der regelmäßigen Kirchenbesucher auf knapp neun Prozent halbiert. Neuere Daten aus Deutschland (siehe Grafik) belegen ein noch geringeres jugendliches Interesse an Kirche.

Immer wieder beklagen Jugendliche, dass die Kirche nicht auf für Junge interessante Bereiche einginge. Ob nun beim Weltjugendtag Themen wie Zölibat, Verhütung oder Abtreibung angesprochen werden, bezweifelt Joachim Hoffleit von der Evangelischen Jugend Österreich (EJÖ). Er sieht in der Veranstaltung eher eine PR-Aktion der Kirche, in der sie zeigen könne, wie jugendlich sie ist. Doch Glaube und Gemeinschaftsgefühl seien von zentraler Bedeutung. "Man kommt, um Leute kennen zu lernen, lebt auch eine Spiritualität aus, das gibt einem ja auch was."

"Irres Gefühl"

Martin Halmer, Vorsitzender der Katholischen Jugend, erhofft sich "einen großen Impuls für die Kirche". Die Kritik, der Event sei lediglich PR- Aktion, weist Halmer zurück. "Es gibt inhaltliche Diskussionen und viele Begegnungsmöglichkeiten mit Bischöfen, wo Jugendliche in persönlichen Gesprächen ihre Anliegen vorbringen können." In puncto Gemeinschaftsgefühl meint Halmer: "Es ist ein irres Gefühl, wenn Tausende bei einem Gebet vereinigt sind, das bleibt einem für immer in Erinnerung." (grill, pm, simo, DER STANDARD Printausgabe, 17.08.2005)