Wien - Die größte österreichische Krebsforschungs-Studiengruppe (ABCSG) warnt vor einem Finanzkollaps bei der Tumorbehandlung und gleichzeitig vor einem Rückschlag für die Wissenschaft in Österreich. Bei mangelnden Geldmitteln würden ein Verlust an Lebensqualität und einer Verminderung der Heilungschancen für Patientinnen und Patienten drohen, erklärte am Mittwoch Univ.-Prof. Dr. Michael Gnant von der Universitätsklinik für Chirurgie in Wien in einer Aussendung.

Der angesehene Mediziner ist Vorstandsmitglied der Austrian Breast & Colorectal Cancer Study Group (ABCSG), auch der größten Studiengruppe für Krebs im europäischen Raum. Seine Forderung: "Es müssen die finanziellen Voraussetzungen geschaffen werden, dass den Kranken auch in Zukunft die Vorteile der medizinischen Forschung zugute kommen und sie jene Therapien und Medikamente erhalten, die dem neuesten Stand des Wissens entsprechen!"

Hintergrund des Appells von Gnant ist die aktuelle Diskussion um Medikamente für Krebspatienten, die hoch wirksam, aber auch sehr teuer sind. Renommierte Mediziner aus Österreich haben in den den vergangenen Tagen in diesem Zusammenhang vor einer drohenden Zwei-Klassen-Medizin gewarnt, bei der in Zukunft nur jene die besten Medikamente bekommen würden, die dafür extra bezahlen könnten.

"Unerträgliche Vorstellung"

Gnant: "Diese Vorstellung ist für uns als Wissenschafter unerträglich. Wir erzielen international anerkannte Studienergebnisse, die rasch in die Behandlung von Kranken einfließen müssen - und dann stehen womöglich nicht genug finanziellen Ressourcen zur Verfügung, um damit Menschen das Leben zu retten. Hier muss die öffentliche Hand einfach ausreichend Mittel bereitstellen."

Der Wissenschafter, der erst vor kurzem bei der Generalversammlung der Breast International Group (BIG) als erster Österreicher für fünf Jahre in das Board of Directors berufen wurde, befürchtet auch negative Folgen für die Forschungszukunft in Österreich: "Unser Land hat sich insbesondere in der Brustkrebsforschung durch erstklassige Arbeit an die europäische Spitze geschoben. Zahlreiche Forschungsetats konnte man so nach Österreich abziehen, die mit Sicherheit wieder verloren gehen, wenn Ergebnisse nicht umgesetzt werden."

Wirtschaftliche Nachteile

Dies wäre nicht nur ein Nachteil für die zukünftige medizinische Versorgung, sondern auch ein enormer Schaden für Tausende Patienten, die jetzt an Untersuchungen teilnehmen, betonte der Experte: "Sie profitieren schon während der Studien von den neuen Erkenntnissen und werden mit einer Intensität betreut, die im Krankenhausalltag sonst nicht möglich ist."

Ein Rückgang der medizinischen Forschung hätte für den Staat auch beträchtliche wirtschaftliche Nachteile, rechnete Gnant vor: "Studienteilnehmer zahlen für die Studienmedikation nichts. Für eine größere Studie, an der rund 3.500 Patienten teilnehmen, liegen aber allein die Medikamentenkosten bei 20 Millionen Euro - eine große Entlastung für das Gesundheitssystem." Um für die Krebsversorgung in Österreich einen Rückschlag aus Geldmangel zu verhindern, tritt die ABSCG für gemeinsame Anstrengungen auf allen Ebenen ein. Ihr Vorschlag: "Die Verantwortlichen - Ministerium, Länder, Krankenhausträger, Ärzteschaft - sollen in einer konstruktiven Diskussion am runden Tisch möglichst schnell gemeinsam Vorschläge erarbeiten, wie die befürchtete Finanzlücke geschlossen werden kann." (APA)