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Mit wehendem Haar und viel Körpereinsatz: US-Star Juliette Lewis gab in Wien einen Auftritt als Punk

FOTO: APA/HERBERT P. OCZERET
Wien – Ganz nah an seinem Idol zu sein, auf Tuchfühlung mit ihm zu gehen, ist der Anreiz jedweden Rockkonzerts. Wenn dann ein Star gleich doppelt schillert, ist er noch größer, dafür das Motiv für den Besuch unentschiedener. Das Flex wurde am Dienstag abend jedenfalls nicht nur aus musikalischen Gründen gestürmt: Juliette Lewis, Hollywood-Actrice und als solche in den 90er-Jahren in Filmen wie Natural Born Killers oder From Dusk Till Dawn meist auf frühreife Mädchen mit ambivalenter Moral festgelegt, gastierte mit ihrer Bubenband The Licks in Wien.

Dabei unterscheidet sich Lewis von musizierenden Schauspielerkollegen wie Keanu Reeves und seinen Dogstars, Russell Crowe oder Johnny Depp in einem nicht unwesentlichen Punkt: Ihr Debütalbum You’re Speaking My Language beweist, dass ihre voluminöse, rauchige Stimme durchaus mitreißen kann. Die recht eklektische Ansammlung von geradlinigen, aber melodiösen Westcoast-Punknummern, die einmal an Joan Jett und The Runaways, dann wieder an Patti Smith denken lassen, wurde von der Musikpresse nicht zu Unrecht gelobt. Wiewohl weniger das Eigenständige daran überzeugt als der aufrichtig schnörkellose Gestus.

Ob Juliette Lewis nun einfach nur ihre Musik machen will oder Juliette and The Licks eher artifizielle Erfindung sind, ein weiterer Rollenwechsel, nachdem sich die Schauspielerin 2000 nach ihrer Drogensucht als braves Mädchen und überzeugte Scientologin gab, ist allerdings schwer zu sagen. Die Inbrunst, mit der sie sich als Rockgöre ins Zeug legt – vorab konnte man sie schon in diversen Zeitschriften in theatralischen Grätschen und anderen Dehnübungen bestaunen –, lässt beide Deutungen zu.

Wicki und die Wilden

Auch im Flex nahm sie die Bühne sehr beherzt ein, ganz in Rot und bauchfrei, mit einem Wikingerhelm auf dem Kopf. Die vier Männer an ihrer Seite blieben brav bis zum Schluss ebendort. Sie wollten wild und entschlossen wirken – der Drummer legte gleich oben ohne los –, klatschten ihre Frontwoman ein paar Mal zu oft ein und rissen die Gitarren immer wieder mal über den Kopf. Das sah dann doch einigermaßen einstudiert aus: Punk als Attitüde, aber ohne große Glaubwürdigkeit.

Aber schließlich war da ja Juliette, die gleich in den ersten drei Nummern Tempo machte. Die blondierten Haare wirbelten durch die Luft, und die Pose der "bitch", die sich mehrmals kokett unflätig an ihr Publikum wandte, beherrschte sie virtuos (wie schon in ihren Filmen). Spätestens mit dem zurückge nommenen Flehgesang von I Never Got To Tell You What I Wanted To und dem (einzigen) politischen Song American Boy Vol. 2 hatte sie die Menge auf ihrer Seite: So Amazing war dann Austria (wie davor wohl schon Berlin).

Die körperliche Hingabe von Lewis konnte dennoch nicht den Eindruck zerstreuen, hier einer allzu mechanischen Form von Punkrock beizuwohnen – zu kontrolliert reihten sich die Nummern an einander, ein wenig so wie beim Promi-Gig in Teenie-Serien wie Beverly Hills 90210 . Zuletzt durfte dann auch das Stage-Diving von Juliette zu Iggy Pops Search And Destroy nicht fehlen. Was zumindest das Versprechen des Körperkontakts einlöste. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 18.8.2005)