Standard: Was bedeutet der Papstbesuch für Deutschland?

Weisner:Natürlich sind die Erwartungen sehr hoch. In Rom hat Benedikt XVI. bis jetzt ja alles richtig gemacht. Aber viele Deutsche haben nicht vergessen, dass er als Präfekt der Glaubenskongregation 23 Jahre lang ein Bremser war.

Standard: Er gilt als brillanter Theologe und bescheidener Mensch.

Weisner: Das ist er. Aber in der Kirche ist nicht nur theologische Wahrheit gefragt. Der Papst hat auch eine pastorale Aufgabe und an der wird er gemessen werden. Die katholische Kirche steht vor großen Herausforderungen.

Standard: Welches sind die dringlichsten?

Weisner: Die Aufhebung des Zölibats. Nicht, weil wir vom Kirchenvolksbegehren uns das wünschen, sondern weil es eine Notwendigkeit ist. Weltweit hat nur noch jede zweite Pfarre einen Priester.

Standard: Kann Benedikt XVI. Jugendliche so begeistern wie sein Vorgänger?

Weisner: Natürlich haben die Leute nach seiner Wahl "Benedetto, Benedetto" gerufen, aber er ist eine ganz andere Persönlichkeit. In Wirklichkeit sind die jungen Menschen Papst Johannes Paul II. ja auch nur gefolgt. Einen Dialog mit ihm gab es ja nicht. Den würde ich mir wünschen.

Standard: Ist der Weltjugendtag, den es seit 20 Jahren gibt, noch zeitgemäß?

Weisner: Eigentlich sollen es Tage der Begegnung sein, aber es ist zu befürchten, dass es wieder nur ein Papst-Event wird. "Wir sind Kirche" bietet deshalb bewusst Gesprächskreise zu brisanten Themen wir Aufarbeitung des Nationalsozialismus in der Kirche oder Kondom-Verbot an.

Standard: Die Bistümer, der Bund, das Land Nordrhein- Westfalen, Köln und die EU lassen sich den Weltjugendtag ja einige kosten.

Weisner: In diese fünf Tage werden 100 Millionen Euro gepulvert. Das ist mehr, als das Hilfswerk Misereor im vergangenen Jahr für Hilfsprojekte weltweit ausgegeben hat. (DER STANDARD - Printausgabe, 18. August 2005)