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Der Rohbau steht: Das ehemalige Kleine Festspielhaus wurde verkürzt, verbreitert, um fünf Meter abgesenkt und hat künftig zwei Ränge, aber keine Logen.

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Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler fischt bestens gelaunt nach Komplimenten – und hat viele Spender an der Angel.

Salzburg – Im Sommer 1938, wenige Monate nach dem Anschluss, hatte der Propagandaminister noch hoch fliegende Pläne. Am 24. Juli notierte er: "Fahrt durch Salzburg. Diese wunderbare Stadt. ... Triumphale Fahrt zum Festspielhaus. Das Haus selbst ist scheußlich. Muß abgerissen werden. Meistersinger. Unter Furtwängler, musikalisch wunderbar. Aber gesanglich, szenisch und dekorativ unter aller Kritik. ... Das ist richtiger Wiener Kitsch. Aber ich werde das abschaffen. Und zwar mit allen gebotenen Mitteln."

In der Tat: Wagner durfte danach nicht mehr gespielt werden. Doch zu einem Abriss des Festspielhauses kam es nicht: 1939 wurden die Fresken von Anton Faistauer im Foyer abgenommen, die laut Völkischem Beobachter "wertvolle Arbeiten des Meisters" seien, aber dem Regime wegen der dargestellten Personen missfielen. Und "Waggonladungen von Stuck", so der verfemte "Systemzeit"-Architekt Clemens Holzmeister retrospektiv, verwandelten den Saal "in ein Vorstadtkino".

Die Idee, ein neues Festspielhaus zu errichten, hatten allerdings nicht nur die Nationalsozialisten: Bereits im Gründungsjahr 1917 träumte Max Reinhardt von einem solchen in Hellbrunn. Realisieren jedoch ließ sich 1925 nur eine Adaption der Großen Reitschule in der Hofstallkaserne. Ein Jahr darauf folgte der erste Umbau durch Holzmeister: Das Festspielhaus erhielt seine Fassade samt Balkon, das Foyer mit den Faistauer-Fresken und den von einer Mimenmasken-Skulptur bekrönten Haupteingang. Die kleine Reithalle wurde fortan als Stadtsaal und Pausenraum, die noch nicht überdachte Felsenreitschule für Aufführungen genutzt.

1936 regte Arturo Toscanini einen Neubau neben dem Mirabellgarten an, doch es kam wiederum nur zu einem Holzmeister-Umbau: Errichtet wurde ab 1937 das Bühnenhaus und damit der Toscaninihof, die Bühne passte man jener der Staatsoper an. Und fünf Künstler wurden eingeladen, Entwürfe für den Eisernen Vorhang mit dem Thema "Entwicklung der Salzburger Festspiele" auszuarbeiten.

Anton Kolig gewann zwar den Wettbewerb, die neuen Machthaber ließen den Eisernen Vorhang aber grau streichen. Den Entwurf gibt es allerdings noch: Als Leihgabe der Steuerberaterin und Ex-ÖVP-Kultursprecherin Cordula Frieser, einer Kolig-Enkelin, hängt er im Büro von Helga Rabl-Stadler. Er soll, sinniert die Festspielpräsidentin, Verwendung finden. Eine Idee wäre, den farbenfrohen Entwurf, auf die Größe des eisernen Vorhangs aufgeblasen, auf diesem zu montieren.

Ziel: bessere Akustik

Denn derzeit wird das zuletzt 1962/63 umgebaute Festspielhaus, damals zum "Kleinen" geworden, noch einmal umgebaut: nach vielen Komplikationen vom Team Holzbauer/Valentiny/Irresberger in ein "Haus für Mozart". Der Balkon wurde bereits durch eine vorgelagerte Terrasse ersetzt, der Zuschauerraum verbreitert, verkürzt und um fünf Meter abgesenkt, um Akustik und Sicht entscheidend zu verbessern. Der Rohbau steht bereits, nun folgt die Innenausstattung des Saales, der bis zu 1650 Plätze, 270 mehr als bisher, fasst. Eröffnet werden soll das Haus 2006.

Das "Traviata"-Problem

Wenn die Präsidentin daran denkt, wird ihr schon mulmig. Mitte Juni, noch vor Festspielbeginn, wird Intendant Peter Ruzicka zwar zwei Mozart-Konzerte für Förderer dirigieren, und es soll auch einen Tag der offenen Türe geben. Aber starten werden die Festspiele Ende Juli mit dem Figaro – Nikolaus Harnoncourt dirigiert, Anna Netrebko singt die Susanna. "Da haben wir das Traviata-Problem mal zehn!"

Alle orderten Karten für die Oper, aber es gab eben nur eine begrenzte Zahl an diesen. Und weil die Präsidentin Geld auftreiben muss für den Umbau, griff sie auf eine bestimmtere Methode zurück: Sie riet jedem, der zur Netrebko wollte, Mitglied im bevorzugten Freundesverein zu werden. Was pro Mann und Nase 1000 Euro Beitrittsgebühr brachte.

Im Prinzip hat Rabl-Stadler das Geld ja bereits zusammen. Obwohl die Aufgabe keine leichte war: Das Kuratorium genehmigte ein Budget in der Höhe von 29,07 Millionen Euro, und von diesem müssen die Festspiele stolze 8,6 Millionen selbst aufbringen. Donald Kahn zum Beispiel sagte eine Spende von 4,3 Millionen zu, es gab und gibt jede Menge Geldbeschaffungsaktionen wie Galadiners und Benefizkonzerte. Man kann sich einen Festspielsitz reservieren lassen, praktisch jeder erklärte sich bereit, mit dem Kauf der Festspielkarte einen zusätzlichen Euro für den Umbau zu spenden, und am 30. August folgt eine Benefiz-Kunstauktion, für die u. a. Thaddaeus Ropac Bilder stiftete.

Untersberger Marmor

Auch viele weitere Privatpersonen und Unternehmen unterstützen den Umbau mit respektablen Beträgen. Aber diese Gelder sind zum Teil zweckgewidmet. Die Spängler Bank zum Beispiel stiftete 100.000 Euro, damit die Böden nicht mit Kunststein verlegt werden, sondern mit Untersberger Marmor, den auch Holzmeister einst verwendet hat. Es gibt zudem etliche weitere Wünsche, die in der genehmigten Basisausstattung nicht enthalten sind: eine ansprechende Gestaltung des neuen Foyers mit der schrägen Wand, eine Verbesserung der Bühnentechnik, drei Bronzetüren zur Terrasse im ersten Stock von Bildhauer Josef Zenzmair und so weiter.

Für all das will Rabl-Stadler eben das Geld auftreiben. Die vier Hauptsponsoren steuerten bereits 1,2 Millionen Euro für die Technikanlage bei, Gerhard Andlinger finanziert den Bau der "Salzburg-Kulisse" (einer anmietbaren Lounge mit grandiosem Blick auf Salzburgs Kirchtürme) um 1,8 Millionen, die Restaurierung des einst nur notdürftig wiederhergestellten Faistauer-Foyers bezahlt Herbert Batliner.

Kein Ahornbaum mehr

"Die Festspiele baulich zukunftsfest zu machen: Das ist mein Ziel", sagt die Präsidentin. Und stolz führt sie den Besucher durch die Felsenreitschule, deren Ahornbaum auf der Bühne leider eingegangen ist. Aber der obere Rang wurde entfernt, die Sitze wurden neu gepolstert, was insgesamt zu einer deutlichen Verbesserung der Akustik geführt hat, zudem gibt es neue Eingänge (zwei "Löwenmäuler") und erstmals auch Stehplätze.

Für die Basisausstattung fehlt Rabl-Stadler daher noch eine Million Euro, für alle weiteren Extras etliche weitere. Aber sie ist geradezu fröhlich. "Es ist ein Jahr der Ernte", sagt sie. Und fishing for compliments fügt sie an: "Ich esse mich gerade barock." Denn täglich speist sie mehrfach mit potenziellen Spendern oder Sponsoren. Einen fünften Hauptsponsor hofft sie schon an der Angel zu haben.
(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19.8.2005)