Von Montag bis Freitag täglich eine Stadtgeschichte von Thomas Rottenberg

Auch als Buch: Die besten Stadtgeschichten aus dem Stadtgeschichten - Archiv - zum Wiederlesen & Weiterschenken. "Wiener Stadtgeschichten" mit Illustrationen von Andrea Satrapa-Binder, Echomedia Verlag Ges.m.b.H., ISBN 3-901761-29-2, 14,90 Euro.

Es war letzte Woche. Und eigentlich wollte ich den Fernsehmann gar nicht erziehen. Aber zwei Tage später hat er mir dann gesagt, dass ich ihm den – in seinen Augen ziemlich sicheren ­-Spaß verdorben hätte. Und eigentlich sei er mir dankbar dafür. Schließlich sei er ja wirklich nicht mehr 23.

Es war im Vorfeld eines dieser Modelwettbewerbe gewesen: Weil das geduldige Papier ja auch in der eventtoten Zeit gefüllt werden muss, saßen die üblichen Verdächtigen diesmal also in einem Lokal, das sich der Ausrichter des Modelwettbewerbes einfallen lassen hatte.

Routinejob

Die Geschichte war klar. Viel gab es nicht zu tun. Auf Exklusives war niemand aus. Ein Routineabend: Fernsehleute filmten vor sich hin und versuchten, halbwegs launige Interviews gegen die eigene Langeweile zu führen. Fotografen knipsten ein bisserl in der Gegend herum und ätzten über das unprofessionelle Posing der Mädchen. Die Schreiber schrieben – aus Mangel an „echter“ Scheinprominenz – sogar die Namen der Kellner auf.

(Einschub: Demnächst könnten zu „Promifriseuren“ (frisiert auch Austropopper), „Starvisagistinnen“ (schminkt TV-Moderatoren) oder „In-Stylisten“ (redete einem ORF-Mann einen Pulli ein) der „VIP-Kellner“ stoßen: Ein Cateringservierkörper, der Markus Rogan den Drink reichte. Das ist schließlich auch was, oder? Egal.)

Kollegeninterviews

Weil in der eventtoten Zeit auch keine lohnenden Promis zur Verfügung stehen, begann die Pressemeute sich gegenseitig abzulichten und zu interviewen (wenn Journalisten in diversen Seitenblicke-Derivaten auftauchen ist das immer ein Indiz dafür, dass die Veranstaltung wenig kann: Kollegen schlagen Kollegen in der Not die Bitte, Platz füllen zu helfen, nicht aus.) Irgendwann stand ich dann neben dem Fernsehmann.

Der Fernsehmann war nicht dienstlich hier. Er gab sonst an diesem Abend nichts zu tun und zu sehen. Er war hier, weil es für die Eigenmarkenpflege nie schlecht sei, mit jungen hübschen Mädchen abgelichtet zu werden. Solange, betonte der Fernsehmann augenzwinkernd, sich das Gezeigte in gesitteten Bahnen bewege.

Männerkumpanei

Dass er einer sei, der selten alleine und am liebsten nicht nur zu zweit nach Hause gehe, stehe auf einem anderen Blatt. Sagte der Fernsehmann. Das sei aber sein Privatspaß und gehe – solange alles freiwillig und legal ablaufe – niemanden etwas an. Und bei aufstrebenden Jungmodels, meinte der Fernsehmann, sei sein Status als Fernsehmann alles andere als abträglich. Wenn ich wolle, könne ich ja mitkommen: Ob er zwei, drei oder vier Mädchen anspräche, sei egal.

Irgendwie sind Männer ja immer in der Pubertät. Deshalb habe ich mich auf das Spiel des Fernsehmannes eingelassen. Wir haben sogar – an der Bar sitzend – eine „Vorauswahl“ unter den am anderen Ende des Raumes aufgefädelten Models getroffen. Aber irgendwann war beim Bubenpalaver der Dampf raus. Und der Fernsehmann hat gefragt, wie alt die Mädchen wohl wirklich wären.

Verbalpotenzspieler

Wir haben dann – im Kopf -­ das Licht hoch- und das aufgesetzte Vamp- bis Selbstbewusstein der Mädchen heruntergedreht. Und das Makeup weggerechnet. Dann habe ich den Kopf geschüttelt und gesagt, dass diese Mädchen eigentlich sogar für unsere Verbalpotenzspielchen zu jung wären. Außer der Fernsehmann wäre jünger als 23 oder älter als, ­ sagen wir einmal - 55 Jahre. Und in diesem, dem zweiten, Fall fände ich das Klappern mit den Porscheschlüsseln vor dem Schultor ziemlich eklig – und wolle nichts damit zu tun haben.

Der Fernsehmann seufzte. Dann plauderten wir über Politik. Weil es, meinte der Fernsehmann, nichts Unerotischeres gäbe. Ich bin dann bald gegangen. Zwei Tage später sind wir uns – nicht weiter überraschend - wieder über den Weg gelaufen. Der Fernsehmann zog mich zur Seite und bedankte sich: Ein anderer Fernsehmann sei später aufgetaucht und habe genau das gemacht, was er eigentlich auch vor gehabt habe. Das habe ihm zuerst einen Stich gegeben. Aber er sei an der Bar sitzen geblieben und habe zugeschaut: Alles vorhersehbar. Alles freiwillig. Alles legal. Trotzdem sei ihm fast das Kotzen gekommen.

Verantwortung

Ich, sagte der Fernsehmann bevor er wieder sein alles-ist-leiwand-und-ich-bin-schuld-daran-Gesicht aufsetzte, trüge jetzt Verantwortung ihm gegenüber: Er habe zwar noch Jahre bis er 55 sein würde – aber sollte ich ihn jemals vor jungen Frauen mit den Schlüsseln seines Sportwagens klimpern sehen, solle ich ihm die Schlüssel abnehmen. Und ihn überfahren. Und zwar ohne Vorwarnung.