Beziehungen zum Judentum verbessern
In seiner Rede in der Kölner Synagoge kündigte Benedikt XVI. an, die Beziehungen der katholischen Kirche zum Judentum verbessern zu wollen. "Wir müssen uns noch viel mehr und viel besser gegenseitig kennenlernen", sagte er. "Deshalb möchte ich ausdrücklich ermutigen zu einem aufrichtigen und vertrauensvollen Dialog zwischen Juden und Christen." Nur so werde es möglich sein, zu einer "beiderseits akzeptierten Interpretation noch strittiger historischer Fragen zu gelangen".
Katholiken und Juden seien durch ihr "reiches gemeinsames Erbe" verpflichtet, auch praktisch zusammenzuarbeiten. Papst Benedikt XVI. nannte dabei die Verteidigung und Förderung der Menschenrechte, Arbeit für die Werte der Familie, für soziale Gerechtigkeit und für den Frieden in der Welt.
Benedikt XVI. geißelte den Nationalsozialismus, auf die Mitschuld von Christen oder der katholischen Kirche am Antisemitismus ging er nicht ein, wie es sein Vorgänger Johannes Paul II. in seinem legendären "Mea Culpa" im Februar 2000 getan hatte. "Im 20. Jahrhundert hat dann in der dunkelsten Zeit deutscher und europäischer Geschichte eine wahnwitzige neuheidnische Rassenideologie zu dem staatlich geplanten und systematisch ins Werk gesetzten Versuch der Auslöschung des europäischen Judentums geführt, zu dem, was als die Schoah in die Geschichte eingegangen ist", sagte Joseph Ratzinger. "Weil man die Heiligkeit Gottes nicht mehr anerkannte, wurde auch die Heiligkeit menschlichen Lebens mit Füßen getreten", sagte der 78-jährige Papst, der selbst in seiner Jugend den Zweiten Weltkrieg noch als Flakhelfer miterlebt hatte.
Grund zur Sorge und Wachsamkeit
Benedikt XVI. sagte, die erneut aufkommenden Zeichen des Antisemitismus und Formen allgemeiner Fremdenfeindlichkeit seien ein Grund zur Sorge und zur Wachsamkeit. Aus diesem Grunde wolle er betonen, dass die katholische Kirche für Toleranz, Respekt, Freundschaft und Frieden unter allen Völkern, Kulturen und Religionen eintrete. Sie fühle sich verpflichtet, diese Lehre besonders an diejenigen weiterzugeben, die selbst nicht mehr Zeugen des Zweiten Weltkrieges geworden seien. Für seine Ansprache erhielt Benedikt stehenden Applaus der Synagogen-Besucher, darunter auch der israelische Botschafter Shimon Stein.
Gemeinsam mit Gemeinderabbiner Netanel Teitelbaum gedachte Benedikt mit gefalteten Händen in der Gedenkhalle der Synagoge der 11.000 Kölner Juden, die deportiert und in Konzentrationslagern ermordet wurden. In der Synagoge saß der Papst auf gleicher Höhe mit dem Rabbiner über der Gemeinde. Als Zeichen des Friedens wurde das Schofar, das Widderhorn, geblasen. Das Vorstandsmitglied der jüdischen Gemeinde, Abraham Lehrer, begrüßte Benedikt als einen Brückenbauer zwischen den Religionen und betonte die Gemeinsamkeiten beider Religionen.
Rabbiner Teitelbaum wies darauf hin, dass Lehrers ebenfalls anwesende Mutter auf dem Unterarm noch ihre KZ-Nummer trage. 1944 in Auschwitz hätte sie sich nicht vorstellen können, dass ihr Sohn 2005 den Papst in einer Kölner Synagoge begüßen würde, sagte er. Indem Benedikt die Synagoge besuche, setze er ein Zeichen gegen den Antisemitismus. Als Symbol des Friedens für alle Völker der Welt reichte Teitelbaum nach seiner Ansprache Benedikt die Hand, die der Papst lange drückte. Anschließend wandte sich der Papst an die jüdische Gemeinde sowie die Bischöfe und Politiker, die zu dem Festakt gekommen waren.
Treffen mit dem Bundespräsidenten
Zum Auftakt des zweiten Tages seines Deutschlandbesuchs war Benedikt XVI. am Vormittag von Bundespräsident Horst Köhler in der Bonner Villa Hammerschmidt zu einem knapp einstündigen Vier-Augen-Gespräch empfangen worden. Bei dem Gespräch ging es um die Situation der Jugend in Deutschland, die Stärkung des Glaubens und internationale Fragen, wie Köhler im Anschluss vor Journalisten sagte. Der Bundespräsident stimmte nach eigenen Worten mit dem Papst darin überein, dass es "Globalisierung für alle" geben müsse. Eigene Empfehlungen habe er dem Papst nicht gegeben. "Es ist nicht an mir, Ratschläge zu erteilen", betonte Köhler. Der deutsche Bundespräsident würdigte den Weltjugendtag als "Demonstration, dass die katholischen Christen keine Minderheit sind". Ein solches Treffen tue auch der evangelischen Kirche gut, sagte der Protestant.
Ökumenisches Treffen
Für den Nachmittag ist ein Treffen Benedikts XVI. mit angehenden Priestern aus aller Welt an der Kölner Kirche St. Pantaleon vorgesehen. Im Anschluss will der Papst mit führenden Vertretern anderer christlicher Religionsgemeinschaften zusammenkommen.