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Der zweite Tag der Papst-Visite in Deutschland war ruhiger als der erste, als die jungen Menschen ihn schon am Flughafen mit La-Ola-Wellen empfangen haben. Der Papst zeigte sich am Freitag nicht den Jugendlichen, sondern stattete Bundespräsident Horst Köhler einen Besuch ab. Zu Mittag absolvierte er in Köln einen Besuch in der Synagoge, den man als historisch und als einen der Höhepunkte seines Besuches in der deutschen Heimat bezeichnen kann.

Erster Besuch in Synagoge

Am 14. Aw des jüdischen Jahres 5765, dem 19. August 2005 christlicher Rechnung, besucht zum ersten Mal ein Papst eine Synagoge in jenem Land, in dem die Ermordung von Millionen Juden ihren Ausgang genommen hat. Benedikt setzte damit den von seinem Vorgänger, Papst Johannes Paul II. eingeschlagenen Weg zur Verständigung der Religionen fort. In seiner Rede hat er jede Form von Antisemitismus eindringlich verurteilt, ebenso den millionenfachen Mord an Juden als unerhörtes und unvorstellbares Verbrechen.

Christen und Juden in aller Welt forderte er zu engeren Zusammenarbeit auf. Pflicht der Kirche „Vor Gott besitzen alle Menschen die gleiche Würde, unabhängig davon, welcher Kultur, oder Religion sie angehören“, sagte Benedikt bei dem Festakt. Er betonte auch, dass die Kirche verpflichtet sei, diese Lehre ganz besonders jenen zu vermitteln, die den Zweiten Weltkrieg selbst nicht mehr erlebt haben. Er kündigte auch an, die Beziehungen der katholischen Kirche zum Judentum verbessern zu wollen. Dass seine Rede gut ankam, zeigte sich gleich danach: Die Besucher des Festaktes standen auf, um zu applaudieren.

Gemeinsamkeiten

Der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, erklärte später, ihn habe die Rede „tief beeindruckt“. Besonders gefallen habe ihm, dass der Papst die „Gemeinsamkeiten von Christen und Juden in den Mittelpunkt gestellt hat.“ Spiegel hat sich beim Oberhaupt der Katholiken auch persönlich für die Rede bedankt – auch dafür, dass dieser sich beim Punkt „christliche Mitschuld an der langen Verfolgung von Juden“ seinem Vorgänger angeschlossen hat. Spiegels Fazit: „Die Geste des Besuchs und die Rede wirkt hoffnungsvoll in die Zukunft.“

"Klare Worte"

Gefragt, ob er enttäuscht sei, dass der Papst angesichts der Verbrechen an den Juden nicht um Vergebung gebeten habe oder eine Schuld eingestanden habe, sagte Spiegel: „Er hat unmissverständlich sich geäußert zu den Verbrechen der Nazis ohne Wenn und Aber.“ Rabbiner Netanel Teitelbaum nannte den Besuch Papst Benedikts XVI. ein „Zeichen und Symbol für den Frieden auf der Welt“. Wirkliche Freiheit auf der Welt sei der Frieden, der keinen Terror kenne, erklärte er.

Älteste Gemeinde nördlich der Alpen

Die jüdische Gemeinde in Köln ist die älteste nördlich der Alpen. Zu Ehren des hohen Besuches aus Rom wurde auch das Schofar-Horn geblasen. Das passiert sonst nur an den höchsten jüdischen Feiertagen.

Johannes Paul II. ist zum ersten Mal bei seinem Deutschland- Besuch 1980 mit Vertretern der Juden zusammengetroffen. Der Besuch einer Synagoge fand in Deutschland aber nicht statt, sondern später in Rom. Auch bei seiner zweiten und dritten Vistie in Deutschland gab es wieder ein Treffen mit dem Zentralrat der Juden auf „neutralem Gebiet“. Am Samstag trifft der Papst Vertreter aus einigen muslimischen Gemeinschaften. Allerdings wird er sie nicht in einer Moschee besuchen, sondern ihnen im erzbischöflichen Palais in Köln eine Audienz gewähren. (Birgit Baumann aus Köln, DER STANDARD Printausgabe, 20./21.08.2005)