Gibt es eigentlich irgendjemanden, der sein ganzes Einkommen zum Spitzensteuersatz von 50 Prozent versteuern muss? Nein, natürlich nicht: Nur wer sehr viel verdient - mehr als 51.000 Euro pro Jahr - muss den über diese 51.000 Euro hinausgehenden Teil des Einkommens mit dem höchsten Steuersatz versteuern. Da kostet allerdings jeder dazuverdiente Euro dann 50 Cent Lohn- beziehungsweise Einkommenssteuer. Und es tröstet wenig, dass das Finanzministerium auf seiner Homepage treuherzig vorrechnet, dass ja die unter dem Spitzensteuersatz liegenden Beträge mit viel niedrigeren Sätzen besteuert werden und ein Österreicher mit 51.000 Euro Jahreseinkommen ohnehin "nur" 33,5 Prozent Durchschnittssteuersatz zu zahlen hat.

Betroffen von den höchsten Steuersätzen sind gerade einmal 200.000 der 5,85 Millionen Einkommenssteuerpflichtigen. Politisch eine zu vernachlässigende Größe: Rund zwölfmal so viele Personen zahlen von ihrem (als zu gering verschmähten) Einkommen gar keine Steuer oder bekommen sogar etwas zurück.

Aber beim Spitzensteuersatz geht es nicht um ein paar Stimmen der so genannten "Besserverdiener". Es geht um Psychologie: Wer für zusätzliche Leistung nur halb so viel herausbekommt wie jene zweieinhalb Millionen Österreicher, denen der Staat die Einkommenssteuer ganz erlässt, hat nicht nur wenig Lust, sich sonderlich anzustrengen - er klagt auch gerne und ausführlich über das von ihm selbst als wirtschaftsfeindlich erlebte Klima im Land. Den Spitzensteuersatz zu senken - und die seit 1989 unveränderte Tarifgrenze, ab der er einsetzt, anzuheben - wäre daher ein Signal an Leistungswillige ebenso wie ans Wirtschaftsklima. Mit den Windfall-Profits, die der Fiskus durch die bei hohen Ölpreisen anfallenden Steuern lukriert, wäre es leicht zu finanzieren. (DER STANDARD, Printausgabe 20./21.8.2005)