Wien – Eine Wohnsiedlung in Wien-Fünfhaus hat ihren eigenen Haustyrannen. Monatelang hat Manfred (29) im Alleingang seine Nachbarn schikaniert. Er hat sie verdroschen, deren Türen eingedrückt, Autos mit Steinen behandelt, Passanten mit Flaschen beworfen, Stiegenhäuser verwüstet, Fenster eingeschlagen.

Vor Gericht sieht er es eher umgekehrt: „Die wollten mich rausekeln“, zürnt er. Der Wachebeamte muss gut auf den Angeklagten aufpassen. Zu den Gesichtern der Zeugen fehlen ihm nur ein, zwei Armlängen, und die geballte Faust ist in Dauerbereitschaft.

Kein Grund, aber Anlässe

„Gibt es einen Grund, dass Sie grundlos Leute niederschlagen?“ fragt der Richter. „Nein“, erwidert der Angeklagte logisch stringent. Grundloses gründet sich von selbst. Anlässe aber fanden sich immer wieder. „Der schaut so blöd“, sagte eine Nachbarin über ihn. Schwerer Fehler. „Da hab‘ ich sie halt nieder g’schlagen“, gesteht er. Ein Elfjähriger war frech. Den hat er mit dem Kopf voran in den Mistkübel gesteckt.

Ausländische Mitbewohner wurden keineswegs bevorzugt behandelt. Eine Afrikanerin hat er verprügelt, ihren Mann angeblich mit dem Tod bedroht. Warum? „Weil mir danach war“, soll er vor der Polizei gesagt haben. „Das war unter Druck“, schwächt er heute ab.

"Kann ja nicht alles gewesen sein"

Von den zwei Dutzend Delikten, die ihm vorgeworfen werden, weist er gut die Hälfte mit Empörung zurück. „Immer wenn etwas passiert ist, ist die Polizei gleich auf mich gekommen“, kritisiert er die Exekutive. „Aber alles kann ich ja auch nicht gewesen sein“, glaubt er.

Dass er es war, der dem Nachbarn einen Ziegelstein auf die Windschutzscheibe geworfen hat, kann er sich vorstellen. – „Warum?“ – „Ich hab nicht gewusst, dass das sein Auto ist.“ – „Und ein anderes wäre besser gewesen?“, fragt der Richter. – Da sagt er nichts, da muss er nachdenken. Einige Mieter haben das Haus bereits verlassen. Für den Rest gibt es Entwarnung. Der U-Häftling ist bereits delogiert. Jetzt wird sich ein Gerichtspsychiater mit ihm beschäftigen. Der Prozess wird vertagt. (Daniel Glattauer, DER STANDARD Printausgabe, 20./21.08.2005)