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Graurinder an den Ufern des Neusiedler Sees: Der Nationalpark ist nicht nur ein wesentlicher Teil, sondern auch ein Modell des "grünen Bandes" durch Europa

Foto: APA/ARCHIV NATIONALPARK NEUSIEDLER SEE - SEEWINKEL
Sopron/Beograd - Wer Alois Lang, den Illmitzer, dringend braucht, aus welchen Gründen auch immer, wird nicht umhinkommen, ihn irgendwo zwischen St. Petersburg, Warschau und Belgrad zu suchen. DER STANDARD hat ihn aus purem Zufall in Sopron gefunden, allerdings war er da gerade auf dem Sprung nach Novi Sad, weshalb DER STANDARD sich zu mutmaßen erlaubte, es reiße ihn im Moment wohl ordentlich herum, was Alois Lang nicht ausdrücklich dementierte, dabei aber so entspannt lächelte, als käme er gerade aus dem Urlaub. Soweit zur Person.

Alois Lang - das jetzt zur Funktion - ist seit Mai Chefkoordinator des größten europäischen Naturschutz- und Entwicklungsprojektes. Von der allernördlichsten Polarmeerküste an der finnisch-russischen Grenze bis hinunter zum Bosporus reicht dieses Projekt, das sich weit reichende Ziele gesetzt hat. Die tiefe Wunde des Kontinent, der real existierende Eiserne Vorhang, der im vergangenen Jahrzehnt zu vernarben begonnen hat, soll jetzt allmählich anfangen zu heilen. Und das durchaus im Doppelsinn.

"Borders separate, nature unites", erklärte einmal der deutsche Umweltminister Jürgen Trittin. Alois Lang will das ins Projektlogo integrieren. Nicht, weil es so offensichtlich aus einer Sonntagsrede stammt. "Der zweite Teil ist nicht pluralfähig", sagt er. Und genau so soll, jenseits der Grammatik, das Projekt "green belt" funktionieren, das Europa von seinem Trennungsschmerz kurieren will.

"green belt" steht unter der Patronanz der "World Conservation Union" IUCN. Der Ansatz ist damit der Naturschutz in den einst von Menschen fluchtartig verlassenen - und höchstens durchmessenen - Gebieten, die auch landwirtschaftlich kaum oder überhaupt nicht genutzt wurden. Dadurch entstanden quer durch Europa, vom Polarmeer bis zum Bosporus, zahlreiche Rückzugsgebiete für bedrohte Tier- und Pflanzenarten. Diese oft kleinräumigen, wie an einer Kette aufgereihten Gebiete sollen vernetzt werden. Die einschlägige Arbeit verrichten wie seit jeher lokale NGOs. Alois Lang soll diese nur miteinander vernetzen und die Lobbyarbeit durchs Internationalisieren intensivieren.

Wie wichtig die Vernetzung kleinräumiger Schutzgebiete sei, illustriert Lang am Beispiel des Dreiländerecks Österreich, Slowakei und Ungarn. "Wenn hier nicht bald etwas passiert, werden die Migrationswege der Säugetiere vom Leithagebirge zu den Kleinen Karpaten gekappt. Das würde dramatische Folgen für Mitteleuropa haben."

Der unmittelbare Natur-und Artenschutz ist für Lang freilich nur der Ansatz. Der gelernte Touristiker und Regionalplaner, der mehr als zehn Jahre im grenzüberschreitenden Nationalpark am Neusiedler See die Öffentlichkeitsarbeit "geschupft" hat, will den Naturschutz als Hebel der Grenzüberwindung nutzen. "Entlang dem Eisernen Vorhang sind ja praktisch immer zwei Staaten involviert. Hier wird die Zusammenarbeit über die Grenze hinweg automatisch forciert." Und wenn es nicht automatisch geht, dann kriegen es die Zentralstellen mit Alois Lang zu tun.

Nachhaltig

Die Zusammenarbeit will Lang mit etwas verknüpfen, das er "nachhaltige Regionalentwicklung" nennt. "Die Gebiete am Eisernen Vorhang waren ja immer auch benachteiligte Gebiete, in die kaum Investitionen geflossen sind. Uns ist es also auch ein zentrales Anliegen, ökonomische Entwicklungskonzepte zu entwerfen, im Tourismus zum Beispiel, aber auch in der Landwirtschaft." Notwendig sei es, Naturschutzaktivitäten nicht nur in Biologenzirkeln zu diskutieren. "Die Menschen, die hier leben, müssen von Anfang an mit einbezogen sein. Wir müssen auch klar machen, dass das etwas bringt, die Leute etwas haben davon. Dann haben wir gewonnen."

Sagt's und verabschiedet sich nach Novi Sad, um von dort weiterzureisen ins IUCN-Regionalbüro nach Belgrad, wo genauso viel zu tun ist wie überall anders in Europa auch. (Wolfgang Weisgram/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 20./21. 8. 2005)