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Salzburg – Änderung der Essgewohnheiten in Richtung energiedichtere, fett- und zuckerreiche Nahrung sowie ein vorwiegend sitzender Lebensstil – das sind die Zutaten für die zunehmende Verfettung in den Industriestaaten. EU-Gesundheitskommissar Markos Kyprianou schätzt, dass in Europa mehr als 200 Millionen Menschen übergewichtig sind. Er warnt sogar vor einer Fettsucht-Epidemie nordamerikanischen Ausmaßes. Besonders Besorgnis erregend: In Europa nimmt die Zahl der übergewichtigen Schulkinder jährlich um rund 400.000 zu.

20 Prozent sind zu dick

Die österreichischen Kids machen da keine Ausnahme. Das Wiener Institut für Ernährungsmedizin schätzt, dass mindestens 20 Prozent aller Kinder und Jugendlichen zu dick sind. Rund sechs Prozent gelten als fettsüchtig (adipös), haben also einen Body-Mass- Index von über 30. Zum Vergleich: Ein 1,87 Meter großer erwachsener Mann mit 87 Kilo kommt auf einen Index von 24,9 und liegt damit in der gesunden Indexzone zwischen 20 und 25. Um auf einen Body- Mass-Index von 30 zu kommen, muss ein 1,58 Meter großes Kind schon stolze 75 Kilo auf die Waage bringen.

Gravierende Folgen

Insgesamt dürften bereits mehr als 80.000 Kinder unter 14 Jahren in Österreich unter chronischer Fettsucht leiden, allein in Wien über 14.000. Die Folgen sind nicht nur ästhetischer Natur: Adipositas führt zu einer Fülle von Beschwerden – von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bis hin‑ zu chronischen Gelenksschäden.

Trotz der enormen Folgekosten für das Gesundheitssystem stehe für "die überwältigende Mehrheit der schwer übergewichtigen Kinder" in Österreich kein Therapieplatz zur Verfügung, kritisiert die Salzburgerin Sabine Dämon. Sie hat im Rahmen des Universitätslehrganges "Health & Fitness" am Salzburger Institut für Sportwissenschaften private wie öffentliche Therapieprogramme untersucht.

In den knapp einhundert Therapieeinrichtungen würden kaum mehr als tausend fettsüchtige Kinder jährlich betreut, so Dämon. Dazu komme, dass die Adipositastherapien oft nicht den Anforderungen – Ernährungsmanagement kombiniert mit Bewegungs- und Verhaltenstherapie – entsprächen. Bei den Programmen der Kinderkliniken etwa sei in mehr als der Hälfte kein Bewegungsprogramm enthalten.

Sponsorensuche

Dämon kritisiert auch, dass die – gerade bei Kindern für den Therapieerfolg wichtige – Einbindung der Eltern nur von rund 40 Prozent aller Programme praktiziert werde. Die Behandlung der Fettleibigkeit scheitere aber auch an sozialen Hürden: "Da in Österreich die Finanzierung der Adipositastherapie nicht geregelt ist, sind Programmdurchführende oftmals gezwungen, sich auf die mühsame Suche nach Fördergebern und Sponsoren zu machen." Und: Mehr als die Hälfte aller Betreuungsprogramme werden durch Teilnehmerbeiträge finanziert, der Zugang sei für finanziell schwächere Schichten oft kaum leistbar. (Thomas Neuhold, DER STANDARD Printausgabe, 20./21.08.2005)