Belgrad - Während gegen Vater Milosevic der Prozess wegen Verbrechen an der Menschlichkeit vor dem UNO-Tribunal in Den Haag geführt wird, ist sein Sprössling Marko wieder frei. Dafür sorgte der Staatsanwalt in Pozarevac, der Heimatstadt der Milosevics, der die Anklage und somit den internationalen Haftbefehl gegen den "wilden Jungen" kurzerhand aufhob.

Marko Milosevic wurde beschuldigt, während der Herrschaft seines Vaters ein Mitglied der oppositionellen Studentenbewegung "Otpor" (Widerstand), Zoran Milovanovic, zuerst mithilfe seiner Leibwächter verprügelt und dann mit einer Motorsäge bedroht zu haben. Nach der Wende in Serbien vor fünf Jahren tauchte Marko mit Mutter Mira Markovic in Moskau unter.

Die "Affäre Marko" spaltet nun die serbische Minderheitsregierung, die von der parlamentarischen Unterstützung der Milosevic-Sozialisten (SPS) abhängig ist. Einige Koalitionspartner forderten vom nationalkonservativen Premier Vojislav Kostunica eine Untersuchung. Aufgeklärt werden soll, auf wessen Anordnung die Haftbefehle gegen Marko - und vor zwei Monaten - gegen Mira Markovic aufgehoben wurden.

Die Tageszeitung Blic behauptet, der Staatsanwalt in Pozarevac habe unter Druck aus Belgrad die Anklage gegen den Milosevic-Sohn fallen gelassen. Damit alles eine rechtliche Grundlage bekommt, veränderte Milovanovic, den Marko mit der Motorsäge bedroht haben soll, überraschend seine Aussage. Zuerst hieß es, Milosevic Junior hätte Milovanovic im Februar 2000 mit einer eingeschalteten Motorsäge angedroht, ihn zu zerstückeln und seine Leiche in den Fluss Velika Morawa zu werfen, würde er ihm nicht mitteilen, wer hinter "Otpor" stecke. Die Studentenorganisation trug im Jahr 2000 entscheidend zum Sturz des Regimes von Milosevic bei. Nun will sich Milovanovic allerdings nicht mehr genau erinnern können, ob sich die Motorsäge wirklich in den Händen von Marko Milosevic befand. (DER STANDARD, Printausgabe, 22.08.2005)