Einen Monat lang ist es der ÖVP-Spitze gelungen, öffentliche Diskussionen um die nächste Steuerreform zu verhindern - mit dem Argument, dass die letzte ja noch nicht richtig verkauft ist. Und dem weniger laut vorgebrachten, aber vor allem unter den Funktionären in Ländern und Gemeinden nicht von der Hand zu weisenden Argument, dass die letzte Steuerreform noch keineswegs richtig verdaut ist: Wie viel gerade dort, wo die Masse der Funktionäre Verantwortung zu tragen hat, in der Folge der Steuersenkungen von 2004 und 2005 in der Kasse fehlen wird, wird erst in den nächsten beiden Jahren voll abschätzbar sein. Konsequenterweise sind Landes- und Kommunalpolitiker der ÖVP auch extrem zurückhaltend mit Steuerreform-Wünschen.

Weil aber die Steuerlast - Reform hin, Reförmchen her - immer als drückend empfunden wird, hat Klubchef Wilhelm Molterer dann doch in einem STANDARD-Interview den Spitzensteuersatz in die Diskussion gebracht.

Es hilft nichts, dass der Vorschlag mit all den Wenns und Abers verpackt war, die die Diskussion auf dem nötigen Seriositätsniveau halten sollten: Natürlich würde man erst nach einer Wahl ans Reformieren gehen; und nur dann, wenn so eine Reform nicht auf Pump gemacht werden müsste, was bei ernsthafter Betrachtung den Zeitpunkt der nächsten Steuerentlastung ohnehin auf einen Termin zwischen 2008 und dem Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben würde.

Gehört wird der Kern der Botschaft: Vielen ist die Steuerlast weiterhin zu hoch. Und der Spitzensteuersatz ist nicht die einzige Schraube, an der man öffentlichkeitswirksam drehen und gleichzeitig die eigenen ideologischen Vorlieben pflegen kann.

Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl hat die alte Idee ausgegraben, Unternehmern und Freiberuflern die Möglichkeit zu geben, einen Teil ihres Einkommens ebenso günstig zu versteuern wie es Unselbstständige mit dem so genannten 13. und 14. Gehalt tun. Ab wann es diese Vergünstigung geben soll? Wenn es nach Leitl ginge, schon 2007, womöglich gegenfinanziert durch eine Verwaltungsreform.

Die anderen Schwarzen, die sich munter in die Debatte eingebracht haben, haben bei ihren Vorschlägen die Wenns und Abers gleich ganz weggelassen - dafür geht es gleich ans Eingemachte: ÖAAB-Generalsekretär Werner Amon tendiert gleich ganz weg von der unter der SPÖ-Alleinregierung in den Siebzigerjahren eingeführten Individualbesteuerung. Er will ein steuerliches Existenzminimum für jedes Familienmitglied einführen. Da steckt immerhin noch das konservative Familienbild der ÖVP dahinter, was immer man von diesem halten mag.

Aber wie soll man es verstehen, wenn sich die Frau Landeshauptmann aus der Steiermark mit der Forderung meldet, Pendler und andere Autofahrer dadurch zu entlasten (sprich: subventionieren), dass man die Mehrwertsteuer auf Treibstoffe senkt? Das ist nicht nur ein populistischer Anschlag auf den Budgetvollzug, der derzeit durch die mit den Ölpreisen gleichzeitig steigenden Umsatzsteuererträge leichter wird. Es ist vor allem auch ein Widerspruch zu dem, was die ÖVP seit Jahr und Tag unter der Überschrift "Ökosoziale Marktwirtschaft" in ihrem Parteiprogramm stehen hat: Demnach wären ja hohe Preise für fossile Energieträger höchst willkommen - und könnten es umso mehr sein, wenn sie wie derzeit nicht unmittelbar von der Politik zu verantworten sind.

Für die ÖVP ist der Verlauf der Diskussion jedenfalls eine peinliche Belastung, sie versucht, die Debatte in Kommissionen zu verbannen. Es kann sie wenig trösten, dass auch die SPÖ keine einheitliche Linie zur Steuerpolitik hat.

Denn es sind die Regierenden, denen die mit jedem Diskussionsbeitrag stärker ins Bewusstsein dringende Steuerlast übel genommen wird. Und die Diskussion zeigt, dass jede Steuerentlastung umgehend vergessen wird, ohne irgendeinen Sympathieeffekt für diejenigen zu bringen, die sie beschlossen haben. (DER STANDARD, Printausgabe, 22.08.2005)