Wien - Die Nanotechnologie, die immer mehr zu einem Treiber der globalen technischen Revolution wird, ruft nun verunsicherte Versicherer auf den Plan.

Zwar seien die Chancen, die diese junge Technologie biete, enorm; gewaltig seien aber auch die Risiken, wie der Rückversicherungschef der Allianz Österreich, Rèmi Vrignaud, im Gespräch mit dem STANDARD sagte. "Wir Versicherer wollen nicht wieder in die Falle tappen wie einst bei Asbest."

Von der Feststellung, dass Asbest gesundheitsgefährlich ist, bis zu dessen Verbot habe es knapp 100 Jahre gedauert, sagte Vrignaud. Die bis zum heutigen Tag geltend gemachten Schadenersatzansprüche beliefen sich allein in den USA auf rund 135 Mrd. Dollar. Experten gehen von zu erwartenden Einsprüchen über weitere 275 Mrd. Dollar aus.

Die Nanowelt ist unvorstellbar klein: Ein menschliches Haar, 80.000-mal gespalten, ist die Dimension, um die es hier geht. Die winzigen Teilchen könnten nicht nur zu Fortschritten in der Medizin führen und über superstarke Materialien auf Nanotech-Basis positiven Niederschlag in der Kfz- und Sachversicherung finden; sie könnten die Lunge schädigen oder gar Herz- und Kreislauferkrankungen auslösen.

"Weil wir ausschließen wollen, dass sich ein ähnliches Risikopotenzial aufbaut wie bei Asbest, verlangen wir bereits jetzt entsprechende Maßnahmen", sagte Vrignaud.

"Mehr Forschung"

Vom Staat wünscht sich der Allianz-Mann "mehr bezahlte Forschung, um Risiken besser einschätzen zu können". Bei der Veröffentlichung von Resultaten nanotechnologischer Forschung sei mehr Transparenz geboten. Außerdem sollte auf "einheitliche und rechtlich bindende internationale Standards für die Produktsicherheit" hingearbeitet werden. Vrignaud: "Das Risiko muss kalkulierbar sein. Nur so können wir Schadensszenarien berechnen."

Noch machten Produkte, in denen Nanotechnologien eingesetzt würden, nur 0,1 Prozent der globalen Warenproduktion aus. Bis 2014 werde sich dieser Anteil aber auf rund 15 Prozent erhöhen, zitierte Vrignaud eine Studie des US-Marktforschungsinstituts Lux Research. In Österreich arbeiten derzeit rund 100 Betriebe auf Nanotech-Basis - Tendenz stark steigend. (Günther Strobl, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22.08.2005)