Viele, vor allem ältere Maori suchten unter anderem aus Angst, die der eigenen Tradition entsprechenden Schamgrenzen zu verletzen, keinen Arzt oder Gynäkologen auf. Es sei für sie unvorstellbar, vor einem Arzt fremder Kultur intime Regionen zu entblößen. Die Folgen: "Im Gegensatz zur Nicht-Maori-Bevölkerung weisen die Indigenen, die oftmals auch sozial mehrfach benachteiligt sind, eine viel niedrigere Lebenserwartung auf", erklärt Binder-Fritz. "Dabei ist die höhere Sterberate bei den Maori-Frauen neben Krankheiten wie Diabetes vor allem auf eine auffallend häufige Erkrankung an bösartigen Tumoren, insbesondere an Brust- oder Gebärmutterhalskrebs, zurückzuführen."
Diese spezifisch weiblichen Erkrankungen endeten bei vielen dieser Frauen deshalb tödlich, weil eine rechtzeitige Untersuchung, auch im Zusammenhang mit kulturspezifischen Gesundheits- und Krankheitsvorstellungen, verabsäumt werde. Die anhand der Maori in Neuseeland gewonnenen Erfahrungen stellten dabei nicht die Ausnahme, sondern die in westlichen Gesellschaften vorherrschende Regel dar, wie die vom Wissenschaftsfonds geförderte Untersuchung weiters ergab.
Geburtshilfe
In Österreich beispielsweise käme es in der gynäkologischen und geburtshilflichen Gesundheitsbetreuung von Migrantinnen immer wieder zu Problemen, erklärt Binder-Fritz. Die Vorstellung einer idealen Geburt könne je nach Kultur sehr stark von den westlichen biomedizinischen Praktiken abweichen: "Viele Frauen sind es nicht gewohnt, in der Schwangerschaft medizinisch begleitet und regelmäßig gynäkologisch untersucht zu werden." Sprachbarrieren und die Angst, eigene Interessen und kulturelle Vorstellungen nicht durchsetzen zu können, führten zu psychischem Leidensdruck, damit zu einem Risiko für Mutter und Kind.