London - Die Beschwerdestelle von Scotland Yard (IPCC), die die Umstände des gewaltsamen Todes des Brasilianers Jean Charles de Menezes in London aufklären soll, gibt es seit April 2004. Ihre Aufgabe ist es, schwerwiegende Vorfälle und Anschuldigungen gegen die britische Polizei von unabhängiger Seite zu überprüfen. Gemäß ihren Statuten ist die IPCC (Independent Police Complaints Commission) "strikt unabhängig" und darf niemanden zum Mitglied haben, der schon einmal die Uniform der britischen Polizei getragen hat.

Ihr Vorsitzender ist Nick Hardwick, der frühere Präsident des britischen Flüchtlingsrats, der sich für die Rechte von Einwanderern und Asylbewerbern einsetzt. Nummer zwei bei IPCC ist John Wadham, der frühere Vorsitzende der regierungsunabhängigen Organisation Liberty, die sich durch ihren Einsatz für die bürgerlichen Freiheiten in Großbritannien einen Namen gemacht hat. Die IPCC zählt 17 Mitglieder, die bei ihrer Arbeit von 84 Ermittlern ihrer Wahl unterstützt werden.

Affäre Stephen Lawrence

Anlass für die Gründung der Beschwerdestelle war die Affäre Stephen Lawrence. Der schwarze Gymnasiast wurde 1993 im Norden Londons ermordet. Die Ermittlungen zu diesem Mordfall wurden extrem nachlässig geführt und warfen ein erschreckendes Licht auf einen institutionalisierten Rassismus in Teilen der britischen Polizei. Anschließend wurde Kritik laut, es sei ungerecht, wenn die Polizei die Ermittlungen zu ihren eigenen Fehlern selbst führe.

Seit ihrer Gründung hat die IPCC 57 Ermittlungsverfahren eröffnet. Zum Beginn der Untersuchung im Fall de Menezes warf IPCC-Chef Hardwick dem britischen Innenministerium vor, sich mit seinen Informationen über das Fehlverhalten von Scotland Yard parteiisch zu verhalten.

Geführt werden die IPCC-Ermittlungen im Fall de Menezes von Roy Clark. Sie wurden am 25. Juli eingeleitet, drei Tage nachdem der 27-jährige Brasilianer von Polizisten, die nach den Urhebern der Terroranschläge fahndeten, durch gezielte Kopfschüsse in der Londoner U-Bahn getötet wurde. "Wir gehen nicht davon aus, dass es sich um ein Verbrechen handelt", sagte Hardwick zu Beginn der Ermittlungen. "Wir suchen die Wahrheit." Medienberichten zufolge wurde ein Mitarbeiter der IPCC vom Dienst suspendiert, weil er dem Fernsehsender ITV enthüllende Videoaufnahmen zugespielt haben soll, welche die Version der Polizei zu dem Todesfall ins Wanken brachten. (APA)