"Scandalous: Wild Party" - Seite aus dem Buch "Shashino Sayounaras" (A Farewell to Photo-graphy), 1972.

Foto: Taka Ishii
Graz - Nach der erzwungenen Öffnung Japans 1854 wandte sich das Interesse Europas im Fin de Siècle intensiv japanischer Kunst zu. Seitdem hat die Faszination für das Land abgenommen, ist wieder neu entflammt und findet einen aktuellen Höhepunkt im EU-Japan-Jahr 2005. Die Camera Austria steht durch Mitbegründer Seiichi Furuya seit ihrem Bestehen in engem Kontakt zu japanischer Kunst.

Mit Chikaku wird in Kooperation mit dem Kunsthaus versucht, einen Überblick über japanische Kunst seit dem Zweiten Weltkrieg zu geben. Kurator Toshiharu Itos will Klischees eines Japan als straff organisiertes Land des High- tech-Booms durchbrechen.

Ob dieses Ziel erreicht wurde, ist zu hinterfragen, bietet doch gerade der Bereich im Kunsthaus Graz den Eindruck der totalen Ausschöpfung technischer Möglichkeiten. Für die Ausstellungsgestaltung zeichnet der Architekt Makoto Sei Watanabe verantwortlich. Bestechend wie er sich mit dem schwierigen Raum auseinander gesetzt hat und versucht, die penetrante Wirkung der Neonröhren zu mildern. Erfreulich, dass sein Eingriff in die dominante Architektur funktioniert.

Beim Wechsel vom Kunsthaus in die Camera Austria ist es, als träte man in einen Zen-Tempel ein. Im Gegensatz zu den vielen sich unterscheidenden Positionen im Kunsthaus begnügt man sich hier mit drei Fotografen. Den Anfang macht Taro Okamoto, der die Zwischenkriegszeit in Europa verbracht hat, erst nach seiner Rückkehr zu (s)einem Japanbild fand. Auf ihn bezieht sich auch das Ausstellungskonzept Toshiharu Itos, der mit Begrifflichkeiten wie Wahrnehmung (Jap. "Chikaku"), Zeit und Erinnerung an die Thematik Kunst aus Japan herangeht. Okamoto bestimmte den Begriff der vierten Dimension, jene den ersten drei Dimensionen der Wahrnehmung übergeordnete, in der geistiges, kulturelles Wissen gespeichert ist, das keiner rationalen Erklärungsformel entspricht, jedoch Wurzel und Anker der Gesellschaft bildet.

Vierte Dimension

Mit der vierten Dimension konstruierte Okamoto ein Erklärungsmodell, das der ob der radikalen Veränderung der Umstände sich verlierenden Gesellschaft Hoffnung und Halt sowie ein begründetes Japanbild gibt. Mit dieser Haltung prägte Okamoto die ihm nachfolgende Generation von Fotografen, von denen in der Camera Austria Daido Moriyama und Takuma Nakahira mit frühen und aktuellen Arbeiten vertreten sind.

Im Hinblick auf den Fokus auf Wahrnehmung, Zeit und Erinnerung funktioniert die Ausstellung in ihrer Gesamtheit ganz gut. Eine Trennung zwischen Camera Austria und Kunsthaus gibt es in der Organisation der Ausstellung nicht. Sowohl hier wie da sind fotografische Positionen zu sehen. In der Camera Austria fehlen die jungen Fotokünstler, diese sind dafür mit Miwa Yanagi und Emiko Kasahar, die sich kritisch mit der japanischen Gesellschaft auseinander setzen, im Kunsthaus vertreten. Dass der gesellschaftskritische Ansatz nur eine beiläufige Rolle spielt, lässt auf weitere Produktionen zu dieser Thematik hoffen.

Wie das Kunsthaus am Montag bekannt gab, ist Kentaro Taki, seit Mitte August "artist in residence", mit seiner Arbeit Tentakle einer der beiden Gewinner der BIX Media Competition, die im Rahmen der Chikaku-Ausstellung stattgefunden hat. (DER STANDARD, Printausgabe, 23.08.2005)