Bagdad - Im Ringen um eine neue irakische Verfassung sind noch zahlreiche Streitfragen offen. Im folgenden eine Übersicht über die wichtigsten Punkte, in denen eine Einigung aussteht:

Föderalismus: Dem von kurdischen und schiitischen Mitgliedern des Verfassungskonvents vereinbarten Entwurf zufolge können sich einzelne Provinzen zur Region erklären und sich unter bestimmten Bedingungen mit anderen Regionen zusammenschließen. Damit könnten sich schiitische Provinzen des Südens zu einer riesigen föderativen Region zusammenschließen. Auch die kurdische Region im Norden könnte so auf Kosten arabischer Gebiete vergrößert werden. Die Sunniten befürchten, dass dies zum Zerfall des Staats führen und das gesamte Gebiet iranischem Einfluss öffnen könnte.

Die Baath-Partei Saddam Husseins: Der Verfassungsentwurf verbietet nicht nur die Baath-Partei, sondern auch alle ihre Symbole. Sie wird mit einer rassistischen oder terroristischen Organisation gleichgesetzt. Unter den Sunniten im Verfassungskonvent gab es Stimmen, die gegen jede Erwähnung der Baath-Partei waren. Der unabhängige Ausschuss zur Entbaathifizierung, der frühere Parteimitglieder von Regierungsorganisationen ausschließen soll, soll seine Arbeit fortsetzen. In der Baath-Partei waren vor allem Sunniten prominent vertreten.

Wahlregeln: Zur Wahl des Staatspräsidenten und des Ministerpräsidenten sollte nach Ansicht der Sunniten eine Zweidrittelmehrheit im Parlament erforderlich sein. Zur Begründung verweisen sie darauf, dass die Schiiten im Parlament so zahlreich vertreten sind, dass sie eine einfache Mehrheit fast automatisch erreichten und die Sunniten damit keinerlei Einfluss hätten.

Irakische Identität: Der Verfassungsentwurf beschreibt den Irak als "Teil der islamischen Welt, und die Araber sind Teil der arabischen Nation". Letzteres gilt als Zugeständnis an die nicht-arabischen Kurden und Turkmenen. Die Sunniten betrachten den Irak jedoch als führenden arabischen Staat mit einer reichen arabischen Geschichte. Jede andere Beschreibung sehen sie als Angriff auf alle Araber. Der Entwurf stellt außerdem das Kurdische, eine nicht-arabische Sprache, auf eine Stufe mit dem Arabischen, beide sollen offizielle Landessprachen sein.

Aufteilung der Ressourcen

Die Aufteilung der natürlichen Ressourcen des Landes zwischen der Zentralregierung und den Regionen ist umstritten, auch wenn eine Einigung im Grundsatz vorliegt. Die Kurden beanspruchen 35 Prozent der Einnahmen aus dem Ölgeschäft, während die Schiiten eine Aufteilung gemäß dem demografischen Gewicht der Provinzen fordern. Der Irak verfügt über die zweitgrößten Ölvorkommen der Welt; die meisten Ölfelder befinden sich im kurdischen Norden und im schiitischen Süden des Landes.

Islam

Die Schiiten verlangen, dass der Islam alleinige Quelle für die Gesetzgebung im Irak wird; Geistliche sollen politische Ämter ausüben können. Die kurdischen und andere laizistisch orientierte Politiker sehen im Islam hingegen nur eine Quelle der Gesetzgebung, auch wenn er als Staatsreligion anzuerkennen sei.

Der Verfassungsentwurf hätte eigentlich schon am 15. August dem Parlament zur Abstimmung vorliegen sollen. Der weitere Zeitplan sieht für Oktober ein Verfassungsreferendum vor, das durch ein Nein der Sunniten scheitern könnte, sollten sich die Unterhändler der drei Volksgruppen nicht noch einigen. Für Dezember steht die Wahl des neuen Parlaments an. (APA/AP)