Kiel/Bonn - An den chronisch entzündlichen Darmerkrankungen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa sind nach Forscherangaben mehrere Hundert Gene beteiligt. Das teilte das Nationale Genomforschungsnetz (NGFN) am Dienstag in Bonn mit.

Ein Team um Prof. Stefan Schreiber von der Universität Kiel hatte das Ablesen von mehreren Zehntausend Genen in der Darmschleimhaut gesunder und erkrankter Menschen verglichen. Ergebnis: Bei Morbus Crohn haben 500 und bei Colitis ulcerosa 272 Gene eine erhöhte oder erniedrigte Aktivität. Für rund 40 Prozent dieser Gene sei bisher nicht bekannt gewesen, dass sie bei chronischen Darmerkrankungen eine Rolle spielten. In Deutschland leiden schätzungsweise 300.000 Menschen an Morbus Crohn und Colitis ulcerosa.

"Wir haben bei den meisten Genen festgestellt, dass sie im kranken Gewebe weniger aktiv sind. Dadurch können die Zellen der Darmschleimhaut viele Funktionen nicht mehr ausführen", sagte Schreiber, der das Institut für Klinische Molekularbiologie an der Universität Kiel leitet.

Gestörte Immunantwort

122 der entdeckten Gene hätten bei beiden Krankheiten eine zentrale Bedeutung.: "Die Aktivität dieser Gene ist dann ohne Ausnahme bei beiden Krankheitsformen entweder erhöht oder verringert." Dies spreche dafür, dass beiden Darmkrankheiten der gleiche Entzündungsprozess zu Grunde liegt. Daher sei es "kein Wunder", dass bei beiden Krankheiten oft dieselbe Therapie wirksam sei.

Schreiber und seine Mitarbeiter ordneten die gefundenen Gene verschiedenen Gruppen zu. Demnach lösen viele der auffälligen Gene eine gestörte Immunantwort aus. Bei der Colitis ulcerosa seien außerdem häufig Gene betroffen, die für Zellwachstum und -vermehrung verantwortlich sind, hieß es. Wenn diese grundlegenden zellulären Prozesse gestört seien, könne Krebs entstehen - eine Komplikation, die bei Colitis ulcerosa als Spätfolge häufig auftrete.

Schreiber hofft, neue Angriffspunkte für Therapien zu eröffnen. Die vom Bundesforschungsministerium geförderte Arbeit wurde am Dienstag in der Online-Ausgabe des Journals "PLoS Medicine" veröffentlicht. (APA/dpa)