Bild nicht mehr verfügbar.

Anklopfen mit dem Hammer: Ein israelischer Soldat verschafft sich gewaltsam Zutritt zu einem Siedlerhaus im Ort Homesh im Westjordanland.

Foto: REUTERS/Goran Tomasevic

Die wichtigste Waffe war die Kreissäge. Mit ihr schnitten Polizisten gegen Mittag binnen Minuten das Metalltor der "Festung" von Sa-Nur im Westjordanland auf, in der sich einige Hundert Männer, Frauen und Kinder versammelt hatten, um die Räumung hinauszuzögern. "Verflucht, wer seinen Bruder aus seinem Haus vertreibt", stand rot auf weiß auf einem großen Schild an der Fassade des massiven Steingebäudes, und aus den Lautsprechern auf dem Dach plärrten stundenlang lamentierende oder anklagende Predigten, die die Räumungstrupps demoralisieren sollten.

Doch es war klar, dass Sa-Nur, als Hochburg extremistischer Elemente gefürchtet, keine Chance hatte, den Tag zu überstehen. "Die Kräfte der Zerstörung und Vernichtung haben ihr Werk begonnen", hatte es um sieben Uhr in der Früh aus den Lautsprechern getönt. Gemeint waren die langen Kolonnen von Polizisten und Soldaten, die die Landstraße heraufmarschierten, gefolgt von Rettungsfahrzeugen und den Autobussen für den Abtransport der Siedler.

Trotzreaktion

Sa-Nur, nach 1967 ein Armeestützpunkt, hat über die Jahre verschiedene Stadien durchlaufen. In den 70ern scheiterte ein erster Versuch, hier eine zivile Siedlung aufzubauen. Von 1987 bis 2000 war es eine Art Künstlerdorf, und erst ab 2003 ließen sich als Trotzreaktion auf die Intifada wieder Familien in Sa- Nur nieder.

Die "Festung", eine alte britische Polizeistation, diente als Kulturzentrum, es gab einen Kindergarten und ein Religionsseminar, aber insgesamt nicht mehr als 170 Einwohner. Im Vorfeld der Räumung wurden sie durch hunderte Angehörige, Freunde und Aktivisten verstärkt. Esther, eine Frau aus Jerusalem, die ihren Familiennamen nicht nennen will, lugt aus dem Fenster eines Fertigteilhäuschens. Sie ist vor zwei Wochen hergekommen, um ihrem 23-jährigen Sohn beizustehen. "Es wird heute noch Überraschungen geben", antwortet sie auf die Frage, was sie machen werde, wenn die Soldaten anklopfen.

Anweisung

"Nein, keine Gewalt – aber sie anschreien oder ihnen Karottensalat ins Gesicht schmeißen, das ist doch nicht so schlimm." Auf dem Kinderspielplatz schaukelt ein kleiner Bub, als wäre es ein normaler Ferientag. Eine Frau gießt demonstrativ ihren kümmerlichen Garten, ein Polizist gibt ihr Ratschläge zur Pflanzenpflege. Nach einigem Zureden verlassen schließlich alle Siedler von Sa-Nur die Häuser – die meisten auf ihren eigenen Beinen, nur wenige lassen sich wegtragen. "Ihr seid wie Roboter", funkelt ein junges Mädchen Soldaten an.

"Was werdet Ihr euren Kindern erzählen? Dass Ihr Juden aus dem Land Israel vertrieben habt?" Doch die Truppen halten sich strikt an die Anweisung, sich nicht provozieren zu lassen – genauso wie Generalstabschef Dan Chalutz, dem Buhrufe entgegentönen, als er am frühen Nachmittag in Sa-Nur auftaucht. (DER STANDARD, Printausgabe, 24.8.2005)