Wien - Am Mittwoch sind weitere Einzelheiten über die Umstände bekannt geworden, unter denen die ehemalige World-Vision-Geschäftsführerin Martina Taurer-Krones untergetaucht ist. Die Opposition spricht bereits von einem "Justiz-Skandal", für den laut SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim Justizministerin Karin Gastinger (B) die Verantwortung trage. Deren Sprecher Christoph Pöchinger wies das zurück: Daran sei "ganz klar die Richterschaft im Grauen Haus Schuld".

Im Wiener Straflandesgericht weist man den vom Justizministerium geäußerten Vorwurf zurück, Martina Taurer-Krones wäre das Untertauchen durch eine "nicht ordnungsgemäß geregelte Nachfolge" ihres zuständigen Richters erleichtert worden.

Haftaufschub

Taurer-Krones war am 29. September 2004 im Wiener Straflandesgericht wegen privater Verwendung von Spendengeldern zu einer dreijährigen unbedingten Haftstrafe verurteilt worden. Nach Rechtskraft des Urteils wurde am 29. November vom zuständigen Richter der Haftantritt "binnen einem Monat" verfügt.

Am 21. Februar beantragte Krones-Taurer - der eine Monat war längst verstrichen - "aus familiären Gründen" Haftaufschub. Dieser wurde drei Tage später vom Justizministerium abgelehnt. Darauf hin hätte im Landesgericht ein Antrag auf Vorführung ausgestellt werden müssen, um Taurer-Krones notfalls mit Polizeigewalt ins Gefängnis zu bringen.

Pöchinger: Nachfolge "nicht ordnungsgemäß"

Dass geschah allerdings Monate lang nicht, was das Justizministerium darauf zurück führt, dass der zuständige Richter mittlerweile in den Ruhestand getreten war. Im Landesgericht habe man "offensichtlich seine Nachfolge nicht ordnungsgemäß geregelt", so der Vorwurf seitens des Gastinger-Sprechers. "Man hätte rechtzeitig dafür Sorge tragen müssen, dass seine Geschäfte nicht unerledigt liegen bleiben", so Pöchinger.

Erst nachdem die Ex-Spendensammlerin am 2. Juni von einem "News"-Reporter im Cafe-Schwarzenberg gesichtet wurde, wurde am nächsten Tag ein neuer Strafantrittsbescheid ausgestellt. Diesem kam sie nicht nach. Am 8. August wurde schließlich ein Haftbefehl erlassen.

Heftige Kritik der Opposition

"Wer so langsam agiert, lädt geradezu dazu ein, sich der Strafe zu entziehen", kritisierte der stellvertretende Klubobmann der Grünen, Karl Öllinger, am Mittwoch in Zusammenhang mit dem Verschwinden von Martina Krones-Taurer die Justiz. Er habe wiederholt parlamentarische Anfragen zum Gerichtsverfahren gegen die ehemalige World Vision-Geschäftsführerin gestellt. Die Beantwortungen würden "nicht mehr und nicht weniger als ein Verfahren dokumentieren, das künstlich in die Länge gezogen wurde".

Es dränge sich "angesichts dieser Kette an Verzögerungen, Pannen und Fehlleistungen" das Gefühl auf, "dass irgendwer Frau Krones-Taurer ganz besonders gut gesinnt ist", so Öllinger in einer Aussendung. Es sei auch unverständlich, "wieso jemand, der wegen seines Umgangs mit dem Geld anderer rechtskräftig verurteilt ist und bereits eine Aufforderung zum Haftantritt erhalten hat, weiterhin als Vermögensberaterin tätig sein kann". Öllinger kündigte weitere parlamentarische Anfragen zu diesem Thema an.

Jarolim: "Unverantwortliche Nachlässigkeit

SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim ärgerte sich in einer Aussendung "über die unverantwortliche Nachlässigkeit von Seiten der Justizministerin". Er habe diese bereits am 8. Juni zum Handeln aufgefordert, passiert sei nichts. Der Haftbefehl gegen Taurer-Krones sei erst zwei Monate später erlassen worden. Dafür trage Gastinger "die volle Verantwortung".

"Nun den Schwarzen Peter einfach dem Straflandesgericht Wien zuzuschieben, ist unfair und unglaubwürdig. Justizministerin Gastinger hat mit ihrer verfehlten Justizpolitik schuld. Kein Geld für zusätzliches Personal, überall massive Einsparungen, das ist keine vernünftige Politik in einem so sensiblen politischen Bereich, wo kompetente Entscheidungen gefragt sind", stellte Jarolim fest.

Das wies Gastinger-Sprecher Christoph Pöchinger entschieden zurück und hielt dem die von der Justizministerin getroffene Entscheidung entgegen, ein zweites Strafgericht in Wien zu errichten. Das sei "ein ganz wichtiger justizpolitischer Schritt, der die Richter im Grauen Haus entlasten wird, damit so etwas nicht mehr passiert", so Pöchinger gegenüber der APA.

Straflandesgericht rechtfertigt sich

Im Wiener Straflandesgericht weist man den vom Justizministerium geäußerten Vorwurf zurück. Die Übergabe der Abteilung sei ohne Reibungsverluste erfolgt, der Personalsenat habe die vakante Stelle bereits mit 1. Mai 2005 besetzt, betonte Gerichtssprecher Friedrich Forsthuber am Mittwochabend.

Der "neuen" Richterin sei der Akt erst Anfang Juni vorgelegen, sie habe unverzüglich die nötigen Verfügungen getroffen und die Vorführung zum Strafantritt angeordnet.

Dass nach der erstmaligen Verfügung des Strafantritts - diese war am 29. November erfolgt - und der Ablehnung der von Taurer-Krones vorgetragenen Bitte um Strafaufschub über zwei Monate vergehen konnten, sei "sicher ein Problem", räumte Forsthuber ein. Es daure im Wiener Straflandesgericht aber durchschnittlich zwei Monate, bis alle Punkte einer richterlichen Endverfügung erledigt sind.

Das hängt laut Forsthuber mit personellen Engpässen - in diesem Fall im nichtrichterlichen Bereich - zusammen. "Weitere Einsparungen in diesem Bereich wären für den Gerichtsbetrieb letal", sagte der Gerichtssprecher. (APA)