Karl-Heinz Grasser ist schon einmal gegenüber den Rufen nach einer Steuerreform standhaft geblieben. Im Sommer 2002 hätte es ihm fast seinen Job gekostet. Heute steht Grasser mit seiner Abfuhr auf sicherem Boden. Auch wenn der Vizekanzler fast schon ultimativ eine Steuersenkung gleich nach den nächsten Wahlen fordert, dürfte der Koalitionszwist bald wieder verpuffen. Denn anders als das Kabinett Schüssel I hat diese Regierung eine Steuerreform bereits hinter sich. Wenn diese die lahme Konjunktur nicht ankurbeln konnte, dann wird auch die nächste Senkung das Kunststück nicht schaffen. Und dass Steuerzuckerl für Wahlsiege gebraucht werden, hat gerade das Team Schüssel-Grasser das letzte Mal widerlegt.

Gerade die Kakofonie der Forderungen - höhere Pendlerpauschale, niedrigere Mehrwertsteuer auf Treibstoff, gesenkter Spitzensteuersatz - macht die Absurdität der Debatte deutlich. Natürlich will jeder weniger Steuern zahlen. Aber der volkswirtschaftliche Nutzen bleibt unbewiesen - auch von radikalen Modellen wie der Flat Tax, die dank Angela Merkels Steuerexperten Paul Kirchhof in Deutschland wieder debattiert wird.

Doch genauso sinnlos ist Grassers Ansage, wonach die nächste Steuerreform erst dann kommen darf, wenn wieder ein Nulldefizit erreicht worden ist. Nulldefizit ist weder eine wirtschaftliche Notwendigkeit noch eine sportliche Herausforderung, die koste was wolle alle paar Jahre angenommen werden muss.

Ungereimheiten im Steuersystem gehören gerichtet - unabhängig von Wahlterminen und Wachstumszahlen. Dazu gehören die in Österreich zu niedrigen Vermögenssteuern sowie das Versäumnis, dass die Schwelle für den Spitzensteuersatz seit 16 Jahren unverändert ist und heute weit mehr Menschen erfasst, als es der damalige SP-Finanzminister Lacina je beabsichtigte. (DER STANDARD, Printausgabe, 24.8.2005)