Was war das doch für eine Aufregung im letzten Dezember, als plötzlich der Vorwurf erhoben wurde, im Bundesheer würden Rekruten systematisch gefoltert! Die Videos sahen überzeugend und gut inszeniert aus - die Reaktionen darauf ebenso: Innerhalb von Minuten, nachdem die Bilder den Medien zugespielt worden waren, hat Verteidigungsminister Günther Platter Führungsstärke gezeigt und versichert, er "dulde keine Übergriffe". Die Bundesheer-Beschwerdekommission wurde wichtig wie noch nie - und jedes auch nur im Entferntesten einsatznahe Ausbildungsvorhaben mit Rekruten geriet unter den Generalverdacht, dass die jungen Männer missbraucht, schikaniert, gedemütigt und gefoltert würden.

Jetzt zeigt sich, dass an all den skandalisierten Vorgängen strafrechtlich nichts auszusetzen war - und die Disziplinarverfahren lassen kaum anderes erwarten. Der Skandal, der keiner war, hat dennoch seine Funktion perfekt erfüllt - so perfekt, dass man mit einiger Berechtigung an ein abgekartetes Spiel glauben könnte. Gerade in den entscheidenden Wochen, in denen es um die Umsetzung der Heeresreform ging, wurden die heeresinternen Kritiker der Reform (und insbesondere der Wehrdienstzeitverkürzung auf sechs Monate) paralysiert: War es ein Zufall, dass der so genannte Skandal ausgerechnet in der Freistädter Tilly-Kaserne, bei einer möglicherweise zur Auflösung anstehenden Einheit aufgetaucht ist? War es Zufall, dass gerade in Freistadt kurz vor Entstehen des (erst nach einem Jahr, gerade "rechtzeitig" aufgetauchten) Videos eine Dienststelle des Geheimdienstes HNA eingerichtet worden war?

Kein Zufall war jedenfalls, dass hohe Offiziere öffentlich als Verantwortliche des Skandals präsentiert wurden - und sich seither jeder Kritik an der Reform enthalten haben. (DER STANDARD, Printausgabe, 24.8.2005)