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Seit 19 Jahren moderiert Otto Brusatti regelmäßig die Ö1-Morgensendung "Pasticcio". Ohne Manuskript, dafür mit viel Eigensinn für die "unendliche Vielfalt der Musik".

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Manchmal geht Otto Brusatti ins Freiluftkino beim Wiener Rathaus und schaut sich alte Opernfilme an. "Schön, bilderreich, weich und farbig", empfindet er sie, freilich "mit einer übertriebenen Hochachtung zur Sache". Dass hinter dem Rücken der schönen Künste hektisches Touristengewusel und schnelle Wokküche dominieren, stört ihn nicht. "Gutes Essen ist mindestens ebenso Hochkultur."

Und überhaupt: Hochkultur? Klassische Musik? "Gibt's nicht", protestiert der Musikexperte. "Unter diesem Siegel ist viel ruiniert worden. Damit ist alles gemeint, womit man Leute verschrecken will." Ihm gehe es "um die unendliche Vielfalt der Musik".

Otto Brusatti, geboren 1948 in Zell am See, aufgewachsen in Baden bei Wien, liebt den Diskurs. Beim "Klassiktreffpunkt", zu dem er regelmäßig an Samstagvormittagen ins Radiokulturcafé einlädt, provoziert er seine Gäste gern mit ungewöhnlichen Fragen.

Ohne Manuskript

"Ich arbeite ohne Manuskript, schreibe höchstens Stichworte auf." Das führt dann zu Einstiegen wie: "Guten Morgen, meine Damen und Herren. Ist Ihnen auch so schlecht wie mir?" Gemeinhin sind die Hörerreaktionen darauf heftig. Doch Brusatti wäre kein Mann des Mediums, verspürte er nicht die große Lust am Polarisieren: "Wenn ich nach einer Sendung, nicht ein paar Anrufe oder Briefe bekomme, bin ich traurig."

Eigentlich hatte Brusatti, Sohn eines Professorenpaares, eine Uni-Karriere angestrebt. Wobei er "Karriere" damals als abscheulich kapitalistisch abgelehnt hätte, schließlich schrieb man 1968 und Brusatti war Studentenvertreter: links, basisdemokratisch, jederzeit diskussionsbereit: "Eine schöne Zeit."

Er studierte Musikwissenschaft, Geschichte und Philosophie. Studienfreunde holten ihn nach Deutschland zum WDR. Anfang der 80er kam er nach Wien und moderierte das "Pasticcio". Heute, 19 Jahre später, ist Brusatti längstdienender Moderator der morgendlichen Musiksendung.

Nicht nur das: Bei der Wiener Musiksammlung organisierte er Ausstellungen etwa über Schubert und Mozart. Parallel dazu brachte er es auf 25 Bücher: Musikwissenschaftliches genauso wie Belletristik, Lyrik und Hörstücke. Nächstes Jahr führt er die Regie in ORF-Filmen zum Mozart- und Sigmund Freud-Jahr.

"Schubert war der größte Komponist"

Und was hört der Musikexperte selbst? "Schubert war der größte Komponist, der je gelebt hat." Pop? "95 Prozent Fastfood, fünf Prozent sind hervorragende Klassiker." Welche dazu zählen, verrät er nicht, schließlich wolle er sich nicht festlegen, nur so viel: "Die Beatles sind dabei." (Doris Priesching/DER STANDARD; Printausgabe, 25.8.2005)