Thun - Gestern ist beim FC Thun das Training entfallen. Die Spieler machten sich auf, Sandsäcke zu füllen und zu schleppen - ihre 40.000 Einwohner zählende, am gleichnamigen See gelegene Heimatstadt ist stark vom Hochwasser betroffen. Vorgestern hat sich der FC Thun für die Champions League qualifiziert, mit einem 3:0 (gesamt 4:0) über Schwedens Meister Malmö FF. Gespielt wurde nicht im Thuner Lachen-Stadion, das mit seiner Kapazität (10.000) und Infrastruktur kaum für die Schweizer Meisterschaft genügt, sondern im Berner Stade de Suisse. Gezählte 31.243 Zuschauer bedeuteten Klubrekord.

Der FC Thun kickte vor zehn Jahren noch in der dritthöchsten Spielklasse, stieg erst 2002 in die Schweizer Super League auf. Auch dort kultivierte der Kleinverein das Image des sympathischen Underdogs, der mit Spaßfußball ab und zu die Favoriten ärgerte, ohne gleich ganz vorne mitzuspielen. Dass die Thuner die vergangene Saison auf dem zweiten Rang hinter dem FC Basel abschlossen, wurde noch als Überraschung abgetan. Erst jetzt, nach den Erfolgen über Dynamo Kiew und Malmö, nach der Qualifikation zur Champions League, wird Thun in der Schweiz wirklich ernst genommen.

Attraktiver Fußball

Die Mannschaft hat einiges zu bieten; allen voran Stürmer Mauro Lustrinelli, der vor Kurzem auch seinen Einstand in der Schweizer Nationalmannschaft gab und der nun am Dienstag mit zwei Toren den FC Thun ins Glück schoss. Sein Treffer zum 3:0, ein Weitschuss aus mehr als 30 Metern über den verdutzten gegnerischen Torhüter hinweg, war allein das Eintrittsgeld wert. Eine stabile Defensive mit dem jungen Torhüter Eldin Jakupovic, ein starkes Mittelfeld mit dem routinierten Andres Gerber und den Brasilianern Bernardi, Gonçalves und Ferreira, eine gute Mischung aus Teamgeist, Solidarität und Disziplin machten die Sensation möglich. Dabei verfügt der FC Thun über ein Jahresbudget von 3,5 Mio. Euro, das nimmt sich sogar neben Rapids 11,5 Millionen bescheiden aus.

Cheftrainer Urs "Longo" Schönenberger ist 1,93 Meter groß und 46 Jahre alt. "Mit Sechzig würde ich mich zur Ruhe setzen", sagt er. "Aber in meinem Alter will man noch mehr erreichen." (DER STANDARD Printausgabe 25.08.2005)