Habemus Neuwahl! Nun ist endgültig klar, dass im Nachbarland am 18. September gewählt wird. Und vielleicht danach schon bald wieder, denn das Verfassungsgericht hat die Deutschen mit dem etwas sperrigen Begriff "auflösungsgerichtete Vertrauensfrage" bekannt gemacht. Jede(r) künftige Kanzler(in) wird nach diesem Urteil den Bundestag noch leichter auflösen lassen können, wenn es ihm oder ihr opportun erscheint. Es ist gut, dass alle Parteien in der nächsten Legislaturperiode dem einen Riegel vorschieben wollen, indem sie ein Selbstauflösungsrecht des Parlaments beschließen.

Doch zunächst muss erst einmal der Wahlkampf, der bis jetzt eher ein Wahlkrampf war, durchgestanden werden. Im Detail mag man sich ja für die eine Idee der SPD oder das andere Vorhaben der CDU erwärmen. Aber das große Ganze oder irgendein Masterplan sind immer noch nicht sichtbar geworden.

Ich kann nicht mehr mit Rot-Grün, darum wählt mich, damit ich mit Rot-Grün weitermachen kann, lautet die ebenso krause wie verzweifelte Bitte von Kanzler Schröder. Wie wenig die Deutschen bereit sind, sich auf dieses widersprüchliche Flehen einzulassen, zeigen die Umfragen. Bei der Union strahlt zwar die Kanzlerkandidatin und leuchten die Umfragewerte wie ein Licht in dunkler Nacht, aber eine Vision hat man auch dort nicht. Rot-Grün hat versagt, jetzt müssen wir ran - das reicht CDU/CSU als Begründung für den angestrebten Machtwechsel.

Was für ein Unterschied zu 1998, als Rot-Grün mit dem Ziel antrat, die Republik auch gesellschaftspolitisch zu verändern. Helmut Kohl schwärmte zu Beginn seiner Kanzlerschaft von der geistig-moralischen Wende. Angela Merkel, die schmerzhafte Reformen wie Hartz IV oder die Praxisgebühr mitgetragen hat, sagt bloß: Wir machen es besser. Kein Wunder, dass in Deutschland noch so viele Wähler unentschlossen sind. Begeisterung, die die Menschen anstecken soll, klingt anders. (DER STANDARD, Printausgabe, 26.08.2005)