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Patti Smith

Foto: APA/EPA/OLIVIER MAIRE
Ein Abend mit esoterischen Zwischentönen, routinierten Klassikern sowie Liebesbekundungen auf und vor der Bühne.


Wien - Selten erlebte man Künstler und Publikum in solcher Eintracht. Als Patti Smith am Mittwoch am Open-Air-Gelände der von ihr sehr geschätzten Wiener Arena sich wieder einmal bei ihrem Publikum bedankte, entfuhr einer Besucherin, die zwischen Alt-Punks, lesbischen Pärchen, Teenagern und ganzen Großfamilien stand, ein "Die ist sooo lieb!". Widersprochen hat ihr niemand.

Auf die mittlerweile 59-jährige Amerikanerin, die mit Are You Experienced, einer von einer Waberorgel dominierten Coverversion von Jimi Hendrix, das Konzert eröffnete, können sich in der Tat viele einigen. Von berühmten Verehrern wie Michael Stipe von R.E.M. bis zum ganz normalen Konzertbesucher. Immerhin gilt Smith, die auch an diesem lauen Abend, für den sie sich etwas esoterisch bei der Natur bedankte, in einem sonst von Vogelscheuchen her bekannten Straßenoutfit auf der Bühne stand, als die prototypische Anti-Diva.

Eine Figur in der Geschichte des Pop, die in den mittleren 70ern von New York aus und mit dem Album Horses, das Anfang November in einer 30-Jahre-Jubiläums-Edition neu und erweitert aufgelegt werden wird, ihre Karriere begonnen hat. Diese war geprägt vom Einfluss der Beatgeneration und ihren Protagonisten wie Bob Dylan, Jim Morrison oder eben Jimi Hendrix.

Dazu kam die Literatur eines Arthur Rimbaud ebenso wie jene von Freigeistern wie Jack Kerouac oder Henry Miller. Daraus formte Smith ein neues weibliches Selbstverständnis, das weg vom harmlosen Liebchen im Schatten und zum Vergnügen männlicher Kollegen führte, hin zu einem bis dahin nicht gekannten Typ Frau im Pop-Business. Dass sie heute mit großer Wurschtigkeit einen leichten Damenbart trägt, ist nur konsequent.

Verinnerlichter Zorn

Zur jener Zeit begann die amerikanische Punk-Ära, zu deren ersten und wichtigsten Aushängeschildern die hagere, streitbare und der Zeit entsprechend - der Vietnamkrieg, der Watergate-Skandal ... - auch zornige Smith bald gehörte. Deshalb gesellt sich live neben der vom Publikum zu Recht attestierten Nettigkeit eine verinnerlichte Wut hinzu, die Smith mit gestreckter Faust ebenso übersetzte wie als verletzliches Individuum, das zu den Lärmattacken des im Hintergrund sitzenden Gitarristen Tom Verlaine wie vom Strom gestreift den Songtitel Ghost Dance verdeutlichte.

Dass derlei Gebärden stellenweise etwas routiniert und physisch weniger kraftvoll als früher ausfielen - ist halt so. Immer noch sympathischer als das gockelhafte Gehabe eines Mick "Wo sind die Hühner?" Jagger.

Souverän wirkte Smith vor allem dann, wenn sie nonchalant durch Midtempo-Songs wie etwa dem zart Richtung Reggae gedeuteten Redondo Beach croonte, das im Zusammenspiel mit ihrem Langzeitgitarristen Lenny Kaye ein schüchterner Höhepunkt wurde. Weniger zurückhaltend fielen naturgemäß die Klassiker der Witwe des früheren MC-5-Gitarristen Fred "Sonic" Smith aus.

Dass in Stücken wie Rock'n'Roll Nigger, People Have The Power oder Because The Night die Routine der Emphase dann doch den Rang ablief, war dem Publikum egal. Es tanzte, jubelte und sah es einer gerührt wirkenden und winkenden Smith gerne nach. Vielleicht auch deshalb, weil sie dieses Mal darauf verzichtet hatte, ihr Konzert mit Gedichten zu unterbrechen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26.8.2005)