Wolfgang Schüssels weit unter seinem intellektuellen Niveau angesetzter Ausrutscher gegen deutsche Bezieher österreichischer Arbeitslosenbezüge, Ausdruck der Hilflosigkeit seiner Regierung angesichts wachsender Beschäftigungsprobleme, mag der Auslöser für Erhard Buseks Forderung nach einem Generationswechsel an der ÖVP-Spitze – im Klartext: (auch) an der Regierungsspitze – gewesen sein, aber nicht die Ursache. Es war daher ein wenig komisch, als reflexartig eine Diskussion über die Rolle der Jugend in der Politik, die Überalterung der Parteien und deren mangelhafte Jugendarbeit einsetzte, so als ob es sich beim Bundeskanzler um einen senilen Greis handelte, dessen Parkinsongeschüttelte Arme das Regierungsruder nicht mehr halten können.

Als Schüssel seine Kanzlerschaft darauf aufbaute, dass er einige Male vergaß, was er noch kurz zuvor gelobt hatte, war das ebenso wenig ein Indiz für Morbus Alzheimer wie seine ständige Verwendung des Begriffes Reform für Sozialabbau, sondern eher Ausdruck machiavellistischen Kalküls – Alter ist nicht das Problem, das Österreich mit Schüssel hat, und das allmählich immer mehr Personen in der Volkspartei mit ihm haben. In Buseks Kerbe schlug kurz darauf Heinrich Neisser, und das auffälligste war, dass neben den matten Pflichtübungen des Generalsekretärs und des Klubobmannes ein Sturm der Entrüstung ausgeblieben ist, wie er angesichts der historischen Leistung der Rückeroberung des Kanzleramtes für die ÖVP als Reaktion auf die Kritik immerhin denkbar gewesen wäre.

Aber das kann ja noch kommen, wenn Lopatka und Molterer ein bisschen innerparteilichen Dampf machen. Des Generalsekretärs Unheil abwehrende und vom Ablösethema wegführende Beteuerung, man hätte doch schon – Generationswechsel! – exakt 17.479 Jugendliche an der zukunft.at-Leine, war gewiss rührend, und vom getreuen Ekkehard des Kanzlers hat man sich ohnehin nichts anderes erwartet als den geschwungenen Weihrauchpinsel: "Die VP muss sich glücklich schätzen, ihn an der Spitze zu haben."

So wenig Grund hat es dafür nicht gegeben, seit Schüssel die Partei führt. Daher ist es auch irreführend, die Forderung nach einem Generationswechsel in ein geriatrisches Problem umzudeuten. Auch wenn Pröll, der wohl gerundete Neffe, der sich nun gegen den im Amt verrunzelnden Kanzler vorschieben lässt, tatsächlich um einiges jünger ist, ändert das nichts daran, dass der Ruf nach einem Generationswechsel nichts anderes ist als die Chiffre für die Forderung nach einer anderen Politik: Nicht um die Lebensjahre geht es, sondern um Inhalte, die der ÖVP auch nach dem Herbst 2006 den Bundeskanzler sichern sollen.

Schüssels Konzept einer ÖVP-Alleinregierung mit integrierter Unterstützung durch Jörg Haider, billig erkauft durch Postenschacher, den man, statt ihn wie versprochen, abzuschaffen nur intensivieren musste, nähert sich dem Ende seiner Tragfähigkeit. Die FPÖ des Jahres 2000 ist zerbröselt. Einmal hat die ÖVP davon profitiert. Nun braucht sie einen anderen Steigbügelhalter, will sie ihre Führungschancen wahren.

Alle wissen das. Aber Schüssel sind die Hände gebunden, will er seine Regierung über die EU-Präsidentschaft retten, was ohnehin ungewiss ist. Auch noch unerfreuliche Ergebnisse der Landtagswahlen im Herbst vor Augen, melden sich nun jene in der ÖVP mit der Forderung nach einem Generationswechsel zu Wort, die Schüssel den als notwendig erkannten Partnerwechsel nicht zutrauen – und denen der jetzige Partner stets zuwider war. Sie wollen grün, also auch andere Akzente.

Bis Oktober werden sie nun wohl wieder Ruhe geben. Aber einmal aus der Flasche, lässt sich der Geist des Wechsels nicht mehr in sie zurückzwingen. (DER STANDARD, Printausgabe, 26.08.2005)