Béatrice Richrath ist Diplom-Sozialwirtin, hat eine Lehre als Tischlerin und das Studium der Soziologie auf dem 2. Bildungsweg hinter sich. Sie arbeitet als Coach und Personalmanagerin bei mehreren internationalen Unternehmen mit dem Schwerpunkt Personal- und Organisations- entwicklung.
Richrath
dieStandard.at: Liebe Frau Richrath, gleich vorne weg: Bewerben Frauen sich anders?

Béatrice Richrath: Ich habe von der Form der Bewerbung her, bis auf einen Punkt, keinen großen Unterschied festgestellt. Aus meiner Erfahrung weisen Frauen, sowohl in ihrer schriftlichen, wie auch in ihrer persönlichen Präsentation, häufiger – und ungefragt! - auf ihr familiäres Umfeld inkl. aller "Versorgungspflichten" hin. Dies nimmt für viele Frauen einfach einen im Vergleich zu ihren beruflichen Ambitionen höheren Stellenwert ein. Zumindest leiten das viele Personalentscheider von der "Familienthematisierung" ab und lassen diese Schlussfolgerung in ihre Entscheidungen einfließen.

Allerdings habe ich auch erstaunliche Reaktionen der männlichen Chefs auf Bewerbungsunterlagen von Kandidatinnen erlebt. Da zeigte mir dann eine Führungskraft eine Bewerbungsmappe mit dem Foto einer gutaussehenden Kandidatin und behauptete, diese würde keinen Job, sondern einen Mann suchen.

dieStandard.at: Gibt es auch Unterschiede, wie Frauen an ein Bewerbungsgespräch herangehen?

Béatrice Richrath: Ein ganz klares JA: Gerade Frauen sind sich generell ihrer Stärken und ihrer hohen sozialen Kompetenzen, ihren sogenannten "Soft Skills", zuwenig bewußt, die sie sowohl im privaten als auch im beruflichen Kontext erfolgreich einsetzen können. Wiedereinsteigerinnen machen sich selber zum Beispiel überhaupt nicht klar, daß genau DIE Managementfähigkeiten beim Organisieren einer Familie DAS ist, was auch im Beruf gefragt ist.

Deswegen arbeiten wir im Bewerbungscoaching zum Beispiel am verbalen und non-verbalen Ausdruck. Im Bewerbungsgespräch wirken Frauen eher unsicher als Männer. Das zeigt sich zum Beispiel durch Antworten auf Fragen wie: "Trauen Sie sich ... zu?", die Frauen nicht mit "Ja" oder "Nein" beantworten, sondern - wenig überzeugend - mit "Ich weiß nicht" oder "vielleicht".

Generell sehe ich es so, daß es Bewerberinnen auch in Vorstellungsgesprächen leichter fällt, ihre Schwächen zuzugeben und zu ihren - eingebildeten oder tatsächlichen - "Mängeln" auch zu stehen. Im Recruitingprozess wirk sich dies nicht unbedingt positiv auf ihr Weiterkommen aus.

dieStandard.at: Wie steht es tatsächlich mit den Personalabteilungen? Schrecken kompetente und selbstbewusste Frauen nicht auch manchen Boss ab?

Béatrice Richrath: Vorgesetzte, die so wenig Standing oder Führungsqualitäten haben, daß sie keine kompetente Menschen neben sich ertragen können, stellen auch keine solchen Männer ein! Das Problem liegt hier eher in der Tatsache begründet, dass für Positionen, für die ausdrücklich durchsetzungsstarke und konfliktbereite "Persönlichkeiten" gesucht werden, mit hoher Wahrscheinlichkeit weniger oder gar keine weiblichen Kandidaten eingeladen werden. Ein Chef, der eine kompetente und selbstbewußte Mitarbeiterin will, wird sich schon im Bewerbungsgespräch für eine solche Persönlichkeit entscheiden.

Was ich als HR-Managerin in Bewerbungsgesprächen eher beobachtet habe, war ein Gockelverhalten von Chefs bei gutaussehenden Bewerberinnen. Da hab ich dann manches Mal meinen Kollegen nicht mehr wiedererkannt. In diesen Situationen habe ich sein hormongesteuertes Verhalten hinterher unter 4 Augen angesprochen, bin da aber eher auf Unverständnis gestoßen.

dieStandard.at: Kann frau da auch ein wenig Verantwortung darüber wieder abgeben?

Béatrice Richrath: Überspitzt ausgedrückt geht es in einem erfolgreichen Bewerbungscoaching weniger darum, die Job-Kandidatinnen auf die bestehenden gängigen Anforderungsprofile hin zu "biegen". Vielmehr geht es darum, ihnen klar zu machen, WIE sie ihre vorhandenen Stärken präsentieren sollen, um den Unternehmen vor dem Hintergrund der aktuellen Anforderungen ein interessantes und selbstbewusstes Angebot machen zu können.

Im Rahmen von Bewerbungstrainings beobachten wir regelmäßig, daß einige der TeilnehmerInnen am liebsten die Verantwortung für ihre aktive Jobsuche an die TrainerInnen/Coaches abgeben würden. Wir können aber letztendlich "nur" Hilfe zur Selbsthilfe anbieten. Das ist schon eher eine Verhaltensweise von Frauen, die Verantwortung für sich selber nicht zu nehmen und für sich selbst zu sorgen. Zu dem Thema empfehle ich übrigens die Lektüre von Barabara Bierach: „Frauen, das dämliche Geschlecht“.

dieStandard.at: Coaches sprechen immer wieder davon, um überzeugend zu sein, müsse man „einfach nur authentisch sein“. Kann es tatsächlich so etwas wie Authentizität überhaupt geben? Noch dazu in einem Bewerbungsgespräch?

Béatrice Richrath: Ich kenne persönlich keine Coaches, die so etwas sagen und die auf dem Markt erhältlichen Bewerbungshandbücher stellen das meiner Meinung nach sehr vereinfacht dar. Außerdem können die meisten BewerberInnen mit derartigen "Patentrezepten" in der Praxis ohnehin nicht viel anfangen, auch wenn derartige "hohle Phrasen" im ersten Moment beeindruckend klingen mögen.

Ein Bewerbungsgespräch ist in Wirklichkeit ein Balanceakt zwischen einer guten Selbstpräsentation, einem Einfühlen in die GesprächspartnerInnen seitens des Unternehmens und dem Gespür dafür, welche der eigenen Fähigkeiten und Stärken für die zu besetzende Position von Bedeutung sein können. Grundsätzlich gibt es da kein Patentrezept. Jede Bewerberin und jeder Bewerber sollten sich darüber im klaren sein, was sie/er selber will und was sie sich von der zu besetzenden Position erwartet. Ein Anpassen um jeden Preis bringt langfristig gesehen weder dem Arbeitgeber noch den vielleicht fehlbesetzten BewerberInnen eine zufriedenstellende Jobvergabe.

Was wir im Bewerbungscoaching veranlassen, ist eine optimale individuelle Vorbereitung an Form und Inhalt der Bewerbungsunterlagen und Erarbeitung des Profils zusammen mit der Bewerberin. Durch gezielte Interventionen, zum Beispiel durch Rollenspiel können wir mit ihr das Bewerbungsgespräch üben. In jedem Fall steht bei uns in der Bewerbungsberatung der Mensch mit seinen Stärken und Schwächen im Mittelpunkt.

Darüber hinausgehende Fragestellungen oder gewünschte Verhaltensänderungen, die von der Kundin gewünscht werden, können über die Bewerbungsberatung hinaus mit mir bearbeitet werden.

dieStandard.at: Ist Bescheidenheit tatsächlich eine Zier?

Béatrice Richrath: Im Gegenteil!! Es ist ein Hindernis im beruflichen Alltag von Frauen! Ich weiß aus eigener Erfahrung, daß uns unsere Sozialisation und die frauenspezifischen Muster da manches Mal in die Quere kommen. Es ist schwer, sich abzugrenzen und auch mal "Nein" zu sagen – das ist für die meisten Männer ein viel kleineres Problem. Andererseits sind gerade die Fähigkeiten von Frauen, vernetzt zu denken und in komplexen Situationen zu handeln, im beruflichen Kontext dringend vonnöten. Ich empfehle besonders Frauen, Networking zu betreiben. Dafür ist es allerdings notwendig, daß sie sich ihrer Stärken bewußt sind und sich selbst präsentieren können. Gerade in den vielen Frauennetzwerken ist doch viel Raum, wo Frauen genau DAS üben können.

Ein Tipp noch zum Thema "Bescheidenheit überwinden": In Österreich ist es noch nicht so üblich wie in Deutschland, sich bei einer Absage auf eine Bewerbung ein Feedback von dem Unternehmen einzuholen, warum die eigene Bewerbung nicht gepaßt hat. Genau DAS kann aber eine Chance sein, dazuzulernen und an sich weiterzuarbeiten.

(e_mu)