Der beste Ansatz, Leben zu erschaffen, ist für Theo Jansen der, mit dem Einfachsten zu beginnen.

Foto: Ars electronica/van der Klis
Am Anfang war die Software. Der niederländische Wissenschaftler Theo Jansen entwickelte Programme, um Licht in die geheimen Wege der Evolution zu bringen. Bis ihm die Arbeit am Computer zu eintönig wurde, zu wenig schöpferisch. Auch wenn die Kinder seiner Evolutionsprogramme schon reif genug waren, am Screen Wettrennen zu veranstalten, Jansen wollte mehr - richtiges Leben erschaffen, keine Spielereien im virtuellen Raum. 17 Jahre ist das nun her, und es ist ihm bestens gelungen.

Am Strand von Delft kann man mit ein wenig Glück seine Geschöpfe beobachten, erleben, wie sie - ganz ohne Zutun ihres Meister - geschäftig auf und ab laufen, mit den Flügeln schlagen, mit ihren dutzenden Beinpaaren pittoreske Spuren im Sand hinterlassen. Der weite Weg dorthin führte Theo Jansen zuerst in den nächstgelegenen Baumarkt. Schließlich muss man sich ein Lebewesen als perfekte Organisation von Zellen vorstellen, und die gibt es im Heimwerkerbedarf - man muss sie nur erkennen, nach dem Einfachsten Ausschau halten, nach simplen Plastikrohren.

"Auch Tiere sind Maschinen", meint Jansen. "Ich habe die Tiere zunächst aus den Rohren konstruiert, weil diese preiswert waren. Später erwiesen sie sich aber auch als sehr geeignet für die Herstellung von künstlichem Leben, weil sie äußerst flexibel und multifunktional sind. Ich betrachte sie jetzt als eine Art Protein - fast alles in der Natur besteht aus Protein. Man kann vieles daraus machen: Nägel, Haare, Haut und Knochen. Es ist ein äußerst vielseitiges Material und kommt daher meinen Intentionen entgegen."

Ansonsten braucht es bloß Kabelbinder, einige Laufmeter Nylonfäden und viel Klebeband, um Gott zu spielen. Und die Geduld für ein astreines Trial-and-Error-Verfahren. Baupläne am Computer zu perfektionieren, mittels Simulation dem Leben auf die Schliche zu kommen hatte Jansen endgültig satt. Also lernte er die Brutalität der Auslese zu ertragen. Mittlerweile lebt die siebte Generation seiner Strandläufer: 375 Rohre pro Vieh haben sich als ideal erwiesen, die Maße der Rohre legen deren genetischen Code fest.

Strandläufer ernähren sich vom Wind, können Energie speichern und später darauf zurückgreifen. Der Nachteil ist, dass sie unter Umständen tagelang warten müssen, bis der Windbehälter gefüllt ist, und sich dann möglicherweise nur fünf Minuten lang bewegen können. Sie sind wie Schlangen. Die liegen auch tagelang in der Sonne, um ihre Nahrung zu verdauen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26.8.2005)