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Der ehemalige Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof und die CDU-Chefin Angela Merkel.

Foto: APA/dpa/Heyder/Stache
So viel Einigkeit ist selten in Deutschland: "Unser Steuersystem muss transparenter und gerechter werden", predigen alle Parteien – zumal es angesichts der leeren Staatskassen nichts mehr zu verschenken gibt. Einen radikalen Steuerreformer hat sich aber nur Unionskanzlerkandidatin Angela Merkel in ihr Team geholt: den ehemaligen Verfassungsrichter Paul Kirchhof.

Mit den Plänen von CDU/CSU will der sich gar nicht aufhalten. Den Spitzensteuersatz von 42 auf 39, den Eingangssteuersatz von 15 auf zwölf Prozent zu senken und dazwischen einen ansteigenden Tarif ohne Zwischensprünge beizubehalten, ist ihm nicht visionär genug.

25 Prozent Flat Tax

Sein kühner Plan: Eine Flat Tax von 25 Prozent, wobei niedrige Einkommen nicht voll besteuert werden. Im Gegenzug werden alle Steuervergünstigungen gestrichen. "Dann braucht der Arbeitnehmer nicht mehr zwölf Samstage pro Jahr für seine Steuererklärung, sondern nur noch zehn Minuten", schwärmt Radikalreformer Kirchhof von seinem Modell.

Doch Deutschlands Steuerberater müssen noch nicht um ihre Jobs bangen. Vielen in der Union ist Kirchhofs Vision zu gewagt. Auch der potenzielle Koalitionspartner FDP will zunächst ein Stufenmodell mit Steuersätzen zu 15, 25 und 35 Prozent schaffen. Zwar versichert Kirchhof, die Reichen müssten seine Reform finanzieren, Menschen mit einem Jahreseinkommen bis zu 50.000 Euro wären hingegen Gewinner.

Dennoch stimmen viele in der Union – natürlich ohne es auszusprechen – Kanzler Gerhard Schröder zu, der sagt: "Die Krankenschwester oder der Feuerwehrmann, die ohnehin nicht zu den gut Verdienenden gehören, werden Verlierer sein." Schließlich gäbe es auch keine steuerfreien Zuschläge mehr für Sonntags- und Nachtarbeit mehr.

Andere sehen nicht, dass Kirchhofs Modell seriös gegenfinanziert werden kann. Doch, das funktioniert – bis auf eine kleinere Lücke, sagt das Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Dort hat man berechnet, dass diese Flat Tax den Staat im Jahr 2006 48,7 Milliarden Euro kosten würde. 20,5 Milliarden Euro kämen durch die Streichung aller Vergünstigungen bei der Einkommen- und der Körperschaftsteuer herein. Weitere 20 Milliarden Euro brächte der Wegfall von Subventionen bei der Umsatz- und Mineralölsteuer. Aber diese Rechnereien erübrigen sich ohnehin. Nach einiger Unruhe in der Union hat Merkel klargestellt: Erst wird das Unions-Konzept umgesetzt.

In einem Punkt ist die Union mutig. Sie sagt ganz klar, dass sie die Mehrwertsteuer von 16 auf 18 Prozent erhöhen will, um die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung von 6,5 auf 5,5 Prozent senken zu können. "Das ist das ehrlichste Wahlprogramm, dass es je gegeben hat", rühmt sich Merkel. Alle anderen Parteien lehnen dies trotzdem ab.

Das Thema "SPD und Steuerreform" ist schnell erklärt. Schröder findet, dass seine Regierung genug getan hat und plant keine weitere Senkung. Im Gegenteil: Er will eine "Reichensteuer" einführen. Wer mehr als 500.000 Euro im Jahr verdient, soll einen dreiprozentigen Zuschlag zum Höchststeuersatz von 42 Prozent bezahlen. Das gefällt auch den Grünen. Die Linken wollen den Spitzensteuersatz gleich auf 50 Prozent heben. Firmen entlasten

Spürbare Änderungen soll es allerdings bei der Unternehmensbesteuerung geben. Seit Monaten muss sich Finanzminister Hans Eichel (SPD) den Vergleich mit Österreich anhören. Dort, klagen Unions-Politiker, betrage die Körperschaftsteuer nur noch 25 Prozent, während deutsche Unternehmen eine Steuerlast von 38,5 Prozent zu tragen hätten, weil sie auch noch Gewerbesteuer abführen müssen. Jetzt will Finanzminister Hans Eichel (SPD) wenigstens die Körperschaftsteuer von 25 auf 19 Prozent senken und dies durch Streichung von Steuervorteilen gegenfinanzieren. Ursprünglich war geplant, das gemeinsam mit der Union durchzuziehen. Aber die tritt jetzt nur noch für ein Absenken auf 22 Prozent ein.

Eine Steuer wird den Deutschen übrigens auch im Falle eines Wahlsiegs con CDU/ CSU erhalten bleiben: Die ungeliebte, von Rot-Grün eingeführte Ökosteuer auf Treibstoff, deren Erlöse den Pensionsbeitrag stabil bei 19,5 Prozent halten. Jahrelang hat die Union sie bekämpft. "Rasen für die Rente – was für ein Unsinn", wetterte CSU-Chef Edmund Stoiber ein ums andere Mal. Doch jetzt haben auch Merkel und er eingestehen müssen: Die Ökosteuer wieder abzuschaffen, kann sich Deutschland schlicht und einfach nicht leisten. (DER STANDARD, Printausgabe, 27./28.8.2005)